Die Waffen nieder!
Andenken der ebenso schnell gewonnenen als wiederverlorenen Braut ein Marmordenkmal aufrichten lasse.
Nach drei Tagen, ergeben und gefaßt, mit den selbstverlangten – andächtig empfangenen Sterbesakramenten versehen, entschlief meine arme Tante Marie; – und so waren denn alle die Meinen, alle, in deren Mitte ich aufgewachsen, von der Erde geschieden... In ihrem Testament war als Universalerbe ihres kleinen Vermögens mein Sohn Rudolf eingesetzt und zum Vormund – Minister »Allerdings« bestellt.
Dieser Umstand brachte mich nun in häufige Berührung mit diesem einstigen Freunde meines Vaters. Er war auch ziemlich der einzige, der unser Haus besuchte. Die tiefe Trauer, in welche mich die Grumitzer Unglückswoche versetzt hatte, brachte es selbstverständlich mit sich, daß ich ganz zurückgezogen lebte. Unser Plan, nach Paris zu übersiedeln, konnte erst ausgeführt werden, wenn alle meine Geschäfte in Ordnung gebracht waren, was jedenfalls noch einige Monate in Anspruch nehmen mußte.
Unser Freund, der Minister, welcher, wie gesagt, beinahe unseren einzigen Umgang bildete, hatte in der letzten Zeit seinen Abschied genommen oder bekommen – das habe ich nie ergründen können – kurz, er hatte sich ins Privatleben zurückgezogen, liebte es aber noch immer, sich mit Politik zu beschäftigen. Er wußte stets das Gespräch auf dieses sein Lieblingsthema zu lenken und wir gaben ihm auch willig die Replik. Da sich Friedrich jetzt so eifrig mit dem Studium des Völkerrechts befaßte, so war ihm jede Diskussion willkommen, welche dieses Gebiet streifte. Nach dem Speisen (Herr von Allerdings – wir bezeichneten ihn unter uns immer mit diesem Spitznamen – war zweimal wöchentlich bei uns zu Tisch geladen) pflegten die beiden Herren sich in ein langes politisches Gespräch zu vertiefen, wobei mein Mann es jedoch vermied, dieses Gespräch in die ihm so verhaßte Kannegießerei ausarten zu lassen, sondern bemüht war, dasselbe auf verallgemeinernde Standpunkte zu lenken. Hierin konnte ihm »Allerdings« allerdings nicht immer folgen, denn in seiner Eigenschaft als eingewurzelter Diplomat und Bureaukrat hatte er sich angewöhnt, die sogenannte »praktische Politik« oder »Realpolitik« zu betreiben – ein Ding, welches ja nur auf die nächstliegenden Sonderinteressen gerichtet ist und von den theoretischen Fragen der Gesellschaftskunde nichts weiß.
Ich saß daneben, mit einer Handarbeit beschäftigt und mischte mich nicht in das Gespräch, was dem Herrn Minister ganz natürlich schien, denn bekanntlich ist für Frauen die Politik »viel zu hoch«; er war überzeugt, daß ich dabei an andere Dinge dachte, während ich – im Gegenteil – sehr aufmerksam zuhörte, da es meines Amtes war, mir so gut als möglich den Wortlaut dieser Dialoge in das Gedächtnis zu prägen, um dieselben hernach in die roten Hefte einzutragen. Friedrich machte von seinen Gesinnungen kein Hehl, obwohl er wußte, welche undankbare Rolle es ist, gegen das allgemein Geltende sich aufzulehnen und Ideen zu vertreten, so lange dieselben noch in jenem Stadium sind, wo sie – wenn nicht als umstürzlerisch verdammt – so doch als phantastisch verlacht werden.
»Ich kann Ihnen heute eine interessante Nachricht mitteilen, lieber Tilling,« sagte der Minister eines Nachmittags mit wichtiger Miene. »Man geht in Regierungskreisen, das heißt im Kriegsministerium, mit der Idee um, auch bei uns die allgemeine Wehrpflicht einzuführen.«
»Wie? Dasselbe System, welches vor dem Krieg bei uns so allgemein geschmäht und verspottet wurde? »Bewaffnete Schneidergesellen« und so weiter?«
»Allerdings hatten wir vor kurzer Zeit ein Vorurteil dagegen – aber es hat sich bei den Preußen doch bewährt, das müssen Sie zugestehen. Und eigentlich – vom moralischen Standpunkt – selbst vom demokratischen und liberalen Standpunkt, für welchen Sie mitunter zu schwärmen scheinen – ist es doch eine gerechte und erhebende Sache, wenn jeder Sohn des Vaterlandes, ohne Rücksicht auf Stand und Bildungsstufe, die gleichen Pflichten zu erfüllen hat. Und vom strategischen Standpunkt: hätte das kleine Preußen jemals siegen können, wenn es die Landwehr nicht gehabt hätte – und wäre diese bei uns schon eingeführt gewesen, wären wir jemals besiegt worden?«
»Das heißt also, wenn wir ein größeres Material gehabt hätten so hätte dem Feinde das seine nichts genützt. Ergo – wenn überall die Landwehr eingeführt wird, ist sie für niemand mehr
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