Die Waffen nieder!
zum Vorteil. Das Kriegsschauspiel wird mit mehr Figuren gespielt, die Partie hängt aber doch wieder von dem Glück und der Geschicklichkeit der Spieler ab. Ich setze den Fall, alle europäischen Mächte führen die allgemeine Wehrpflicht ein, so bliebe das Machtverhältnis genau dasselbe – der Unterschied wäre nur der, daß um zur Entscheidung zu gelangen, statt Hunderttausende, Millionen hingeschlachtet werden müßten.«
»Finden Sie es aber gerecht und billig, daß nur ein Teil der Bevölkerung sich opfere, um die höchsten Güter der anderen zu verteidigen, und diese anderen, zumal wenn sie reich sind, ruhig zu Hause bleiben dürfen? Nein, nein – mit dem neuen Gesetz wird das aufhören. Da gibt es kein Loskaufen mehr – da muß jeder mittun. Und gerade die Gebildeten, die Studenten, solche, die etwas gelernt haben, die geben intelligente und daher auch sieghafte Elemente ab.«
»Bei dem Gegner sind dieselben Elemente vorhanden – also heben sich die durch gebildete Unteroffiziere zu gewinnenden Vorteil. Dagegen bleibt – gleichfalls auf beiden Seiten – der Verlust an unschätzbarem geistigen Material, welches dem Lande dadurch entzogen wird, daß die Gebildetsten – diejenigen, welche durch Erfindungen, Kunstwerke oder wissenschaftliche Forschungen die Kultur gefördert hätten – in Reih' und Glied als Zielscheiben feindlicher Geschütze aufgestellt werden.«
»Ach was – zu dem Erfindungmachen und Kunstwerkproduzieren und Schädelknochen-Untersuchungen – alles Dinge, welche die Machtstellung des Staates um kein Quentchen vergrößern –«
»Hm!«
»Wie?«
»Nichts, bitte fahren Sie fort.«
»– dazu bleibt den Leuten noch immer Zeit. Sie brauchen ja nicht ihr ganzes Leben lang dienen – aber ein paar Jahre strammer Zucht, die tun sicherlich allen gut und machen sie zur Ausübung ihrer übrigen Bürgerpflichten nur desto befähigter. Blutsteuer müssen wir nun einmal zahlen – also soll sie unter allen gleich verteilt werden.«
»Wenn durch diese Verteilung auf den einzelnen weniger käme, so hätte das etwas für sich. Das wäre aber nicht der Fall – die Blutsteuer würde da nicht verteilt , sondern vermehrt. Ich hoffe, das Projekt dringt nicht durch. Es ist unabsehbar, wohin das führte. Eine Macht wollte dann die andere an Heeresstärke überbieten und endlich gäbe es keine Armeen mehr, sondern nur bewaffnete Völker. Immer mehr Leute würden zum Dienst herangezogen, immer länger würde die Dauer der Dienstzeit, immer größer die Kriegsteuerkosten, die Bewaffnungskosten ... Ohne miteinander zu fechten, würden sich die Nationen durch Kriegsbereitschaft alle selber zu Grunde richten.«
»Aber lieber Tilling, Sie denken zu weit!«
»Man kann niemals zu weit denken. Alles, was man unternimmt, muß man bis zu seinen letzten Konsequenzen – wenigstens soweit, als der Geist reicht, auszudenken wagen. Wir verglichen vorhin den Krieg mit dem Schachspiel – auch die Politik ist ein solches, Exzellenz, und das sind gar schwache Spieler, welche nicht weiter denken als einen Zug, und sich schon freuen, wenn sie sich so gestellt haben, daß sie einen Bauer bedrohen. Ich will den Gedanken der sich unablässig steigernden Wehrmacht und der Verallgemeinerung der Dienstpflicht sogar noch weiter ausspinnen, bis zu der äußersten Grenze –, bis zu jener nämlich, wo das Maß übergeht. Wie dann, wenn, nachdem die größten Massen und die äußersten Altersgrenzen erreicht sind, es einer Nation einfiele, auch Regimenter von Frauen aufzustellen? Die anderen müßten es nachahmen. Und in der Bewaffnung – in den Zerstörungsmitteln – wo wäre da die Grenze? O dieses wilde, blinde In-den-Abgrundrennen!«
»Beruhigen Sie sich, lieber Tilling ... Sie sind ein rechter Phantast. Sagen Sie mir ein Mittel, den Krieg abzuschaffen, so wäre es allerdings ganz gut. Nachdem aber das nicht möglich ist, so muß doch jede Nation trachten, sich darauf so gut als möglich vorzubereiten, um sich in dem unausweichlichen Kampf ums Dasein (so heißt das Schlagwort des jetzt so modernen Darwin, nicht wahr?) die größte Gewinnchance zu sichern.«
»Wenn ich die Mittel, Kriege aufzuheben, vorschlagen wollte, so würden Sie mich noch einen ärgeren Phantasten schelten, einen sentimentalen, von 'Humanitätsschwindel' (so heißt doch das beliebte Schlagwort der Kriegspartei?) angekränkelten Träumer!« ...
»Allerdings könnte ich Ihnen nicht verhehlen, daß zur Erreichung eines solchen Ideals aller
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