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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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die falsche Voraussetzung nämlich, unter welcher wir ihn zur Entfaltung seiner Beredsamkeit bewogen haben. Einen Augenblick drängte es mich, ihm zu sagen: Halten Sie ein, hochwürdiger Herr, ich selber hege die gleichen Ansichten gegen den Krieg, wie meine Frau, und was Sie sprechen, soll mir nur dazu dienen, die Schwäche Ihrer Argumente näher zu untersuchen. Aber ich schwieg. Wozu eines redlichen Mannes Überzeugung – eine Überzeugung, die noch dazu die Grundlage seines Lebensberufes ist – verletzen?«
    »Überzeugung? – bist du dessen sicher? Glaubt er wirklich die Wahrheit zu sprechen, oder betört er seine Soldatengemeinde absichtlich wenn er ihr den sicheren Sieg verspricht, durch den Beistand eines Gottes, von dem er doch wissen muß, daß er von dem Feinde gerade so angerufen wird? Diese Berufungen auf »unser Volk«, auf »unsere«, als die einzig gerechte Sache, die zugleich Gottes Sache ist, die waren doch nur möglich zu einer Zeit, da ein Volk von allen übrigen Völkern abgeschlossen, sich für das einzig Daseinsberechtigte, das einzig Gottgeliebte hielt. Und dann diese Vertröstungen auf den Himmel, um desto leichter die Hingebung des irdischen Lebens zu erlangen, alle diese Zeremonien – Weihen, Eide, Gesänge – welche in der Brust des in den Krieg Befohlenen die so beliebte »Todesfreudigkeit« – mit graut vor dem Worte – erwecken sollen, ist das nicht –«
    »Alles hat zwei Seiten, Martha,« unterbrach Friedrich. »Weil wir den Krieg verwünschen, erscheint uns alles, was ihn stützt und verschönt, was seine Schrecken verschleiert, hassenswert.«
    »Ja, natürlich, denn dadurch wird das Gehaßte erhalten.«
    »Nicht dadurch allein ... Alte Einrichtungen stehen mit tausend Fasern festgewurzelt, und so lang sie da waren, war's doch auch gut, daß diejenigen Gefühle und Gedanken bestanden, durch die sie verschönt – durch die sie nicht nur erträglich, sondern sogar beliebt gemacht wurden. Wieviel armen Teufeln half jene anerzogene »Todesfreudigkeit« über das Sterbensweh hinweg; wieviel fromme Seelen bauen vertrauensvoll auf die ihnen vom Prediger zugesicherte Gotteshilfe; wieviel unschuldige Eitelkeit und stolzes Ehrgefühl ward nicht durch jene Zeremonien geweckt und befriedigt, wieviel Herzen schlugen nicht höher bei den Klängen jener Gesänge? Von allem Leid, das der Krieg über die Menschen gebracht hat, ist doch wenigstens jenes Leid abzurechnen, welches wegzusingen und wegzulügen den Kriegsbarden und den Feldgeistlichen gelungen ist.«
    * * *
    Wir wurden von Berlin sehr plötzlich wieder abberufen. Eine Depesche meldete mir, daß Tante Marie schwer erkrankt sei und uns zu sehen wünsche.
    Ich fand die alte Frau von den Ärzten aufgegeben.
    »Jetzt ist die Reihe an mir,« sagte sie. »Eigentlich gehe ich recht gern... Seit mein armer Bruder und seine drei Kinder hinweggerafft wurden, hat es mich ohnehin auf dieser Welt nicht mehr gefreut – von diesem Schlag konnte ich mich nie mehr erholen... Drüben werde ich die anderen wiederfinden... Konrad und Lilli sind dort auch vereint ... es war ihnen nicht bestimmt, auf Erden vereint zu werden...«
    »Wäre zu rechter Zeit abgerüstet worden –« wollte ich zu widersprechen beginnen, aber ich hielt mich zurück: mit dieser Sterbenden konnte ich doch keinen Streit anheben und doch nicht an ihrer Lieblingstheorie »Bestimmung« zu rütteln versuchen.
    »Ein Trost ist mir,« fuhr sie fort, »daß wenigstens du glücklich zurückbleibst, liebe Martha... Dein Mann ist aus zwei Feldzügen zurückgekehrt – die Cholera hat euch verschont – es hat sich deutlich erwiesen, daß ihr bestimmt seid, miteinander alt zu werden ... Trachte nur, aus dem kleinen Rudolf einen guten Christen und einen guten Soldaten heranzuziehen, damit sein Großvater noch da oben seine Freude an ihm haben möge« ...
    Auch darüber schwieg ich lieber, daß ich fest entschlossen war, aus meinem Sohne keinen Soldaten zu machen.
    »Ich werde unaufhörlich für euch beten ... damit ihr lange und zufrieden lebt –«
    Natürlich hob ich den Widerspruch nicht auf, daß eine »unverrückbare Bestimmung« durch den Einfluß unaufhörlichen Betens zum Guten gelenkt werden solle, doch unterbrach ich die Arme, indem ich sie bat, sich mit Sprechen nicht anzustrengen und erzählte ihr, um sie zu zerstreuen, von unseren Schweizer und Berliner Erlebnissen. Ich berichtete, daß wir auch mit Prinz Heinrich zusammengekommen und daß derselbe in seinem Schloßpark dem

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