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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Hunderttausende geschlichtet werden – das muß doch jeder »einsichtige?« Politiker zugeben. Dem holländischen Volke hat niemals etwas an dem Besitz des Großherzogtums gelegen; auch dem König Wilhelm III. lag nichts daran, und er hätte es gern für eine Summe in seine Privatkasse an Frankreich abgegeben. Da begannen nun geheime Verhandlungen zwischen dem König und dem französischen Kabinett. Recht so: Geheimnis ist ja der Kern aller Diplomatie. Die Völker dürfen von den Streitigkeiten nichts wissen – kommen diese erst zum Austrage, so haben sie das Recht, dafür zu bluten. Warum und wofür sie sich schlagen – das ist Nebensache.
    Ende März erst macht der König die Nachricht offiziell und am selben Tage, als er sein Einverständnis nach Frankreich telegraphiert, wird der preußische Gesandte im Haag davon unterrichtet. Darauf beginnen Unterhandlungen mit Preußen. Dieses beruft sich auf die Garantie der Verträge von 1859, auf Grundlage deren das Königreich Holland bestand. Die öffentliche Meinung (wer ist das, die öffentliche Meinung? Wohl die Leitartikelschreiber?) in Preußen ist entrüstet, daß das alte deutsche Reichsland losgerissen werden soll; im norddeutschen Reichstag – am 1. April – werden über diesen Gegenstand feurige Interpellationen gestellt. Bismarck bleibt zwar über Luxemburg kalt, veranstaltet jedoch bei dieser Gelegenheit Rüstungen gegen Frankreich, was natürlich wieder französische Gegenrüstungen zur Folge hat. Ach, wie ich diese Melodie schon kenne! Damals zitterte ich sehr, daß ein neuer Brand in Europa ausbreche. An Schürern fehlte es nicht: in Paris Cassagnac und Emile de Girardin, in Berlin Menzel und Heinrich Leo. Ob denn solche Kriegshetzer nur eine entfernte Ahnung haben von der Riesenhaftigkeit ihres Verbrechertums? Ich glaube kaum. Um jene Zeit war es – ich habe das erst viele Jahre später erzählen gehört – das Professor Simon dem Kronprinzen Friedrich von Preußen gegenüber die schwebende Frage äußerte:
    »Wenn Frankreich und Holland bereits abgeschlossen haben, so bedeutet das den Krieg.«
    Worauf der Kronprinz mit heftiger Erregung und Bestürzung erwiderte: »Sie haben den Krieg nicht gesehen ... hätten Sie ihn gesehen, so würden Sie das Wort nicht so ruhig aussprechen ... Ich habe ihn gesehen und ich sage Ihnen, es ist die größte Pflicht , wenn es irgend möglich ist, den Krieg zu vermeiden.«
    Und diesmal wurde er vermieden. In London trat eine Konferenz zusammen, welche am 11. Mai zu dem erwünschten friedlichen Resultate führte. Luxemburg ward als neutral erklärt und Preußen zog seine Truppen fort. Die Friedensfreunde atmeten auf, aber es gab Leute genug, welche sich über diese Wendung ärgerten. Nicht der Kaiser der Franzosen – dieser wünschte den Frieden – aber die französische »Kriegspartei«. Auch in Deutschland erhoben sich Stimmen, welche das Verhalten Preußens verurteilten: »Aufopferung eines Bollwerks», »Wie Furcht aussehende Nachgiebigkeit« und dergleichen mehr. – Auch jede Privatperson, welche auf den Rechtsspruch des Gerichtes hin auf irgendeinen Besitz verzichtet, zeigt solche Nachgiebigkeit – wäre es besser, sie beugte sich keinem Tribunal und schlüge mit den Fäusten drein? Was die Londoner Konferenz erreicht, das könnte in solchen strittigen Fragen immer erreicht werden, und den Staatenlenkern wäre jene Vermeidung immer möglich, die der nachmalige Friedrich III., Friedrich der Edle, die größte Pflicht genannt.
    * * *
    Im Mai begaben wir uns nach Paris, um die Ausstellung zu besuchen.
    Ich hatte die Weltstadt noch nicht gesehen und war von der Pracht und dem Leben derselben ganz geblendet. Namentlich damals – das Kaiserreich stand auf seinem höchsten Glanzpunkte und sämtliche Kronenträger Europas hatten sich da zusammengefunden – namentlich damals bot Paris ein Bild fröhlichster und friedenssicherster Herrlichkeit. Nicht wie die Hauptstadt eines Landes, sondern wie die Hauptstadt der Internationalität erschien mir damals die – drei Jahre später von ihrem östlichen Nachbar bombardierte – Stadt. Alle Völker der Erde hatten sich in dem großen Champ de Mars-Palaste zu dem friedlichen – einzig nützlichen, weil schaffenden und nicht zerstörenden – Kampf des Wettbewerbs versammelt; so viel Kunstwerke und Gewerbewunder waren hier zusammengetragen, daß sich in jedem Beschauer der Stolz regen mußte, in so vorgeschrittener, immer noch weiteren Fortschritt versprechender Zeit zu

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