Die Waffen nieder!
Unterhaltung. Meinen Sohn Rudolf hatte ich natürlich bei mir. Er war jetzt acht Jahre alt und ein wunderbar gescheites Männchen. Wir hatten einen jungen Engländer aufgenommen, der bei dem Kleinen halb Hofmeister-, halb Kindermädchenstelle vertrat.
Zu unseren langen Stationen im Ausstellungspalast, sowie auch unseren zahlreichen Ausflügen in die Umgebung, konnten wir den Rudi doch nicht immer mitnehmen und die Zeit des Lernens war ja auch schon für ihn gekommen.
Neu – neu – neu war mir diese ganze hier erschlossene Welt! All die von den vier Himmelsgegenden zusammengekommenen Menschen, von überall her die reichsten und vornehmsten; diese Feste, dieser Aufwand, dieses Gewimmel ...ich war förmlich betäubt davon. Aber so interessant und genußreich es mir auch war, diese überraschenden und überwältigenden Eindrücke in mich aufzunehmen, so sehnte ich mich im stillen doch wieder aus dem Getöse hinaus, nach irgendeinem abgelegenen, friedlichen Plätzchen, wo ich mit Friedrich und meinem Kinde – meinen Kindern , ich sah ja wieder Mutterfreuden entgegen – in ruhiger Zurückgezogenheit hätte leben können. Es ist doch sonderbar – ich finde es in den roten Heften öfters bestätigt –, wie in der Abgeschlossenheit die Sehnsucht nach Ereignissen und Taten, nach Erlebnissen und Vergnügungen entsteht und mitten in diesen wieder die Sehnsucht nach Einsamkeit und Ruhe.
Von der großen Welt hielten wir uns fern. Nur bei unserem Gesandten Metternich hatten wir einen Besuch abgestattet und dabei erwähnt, daß wir unserer Familientrauer wegen keine Einführung bei Hofe und in die Gesellschaft wünschten. Dagegen suchten wir die Bekanntschaft einiger hervorragender politischer und literarischer Persönlichkeiten; teils aus persönlichem Interesse und zu geistiger Anregung, teils im Hinblick auf Friedrichs »Dienst«. Trotz der geringen Hoffnungen, die er auf einen greifbaren Erfolg seiner Bestrebungen hatte, verlor er diese niemals aus dem Auge, und er setzte sich mit verschiedenen einflußreichen Personen in Verkehr, von welchen er Förderung seiner Sache, oder mindestens Auskunft über deren Stand erhalten konnte. Wir haben uns damals ein eigenes Büchelchen angelegt – wir nannten es »Friedenspolitik« – in welches sämtliche, auf diesen Gegenstand bezügliche Urkunden, Notizen, Artikel usw. abschriftlich eingetragen wurden. Auch die Geschichte der Friedensidee, soweit wir von derselben Kenntnis erlangten, haben wir da zu Protokoll gebracht. Daneben die Aussprüche verschiedener Philosophen, Dichter, Juristen und Schriftsteller über »Krieg und Frieden«. Es war bald zu einem stattlichen Bändchen herangewachsen und im Laufe der Zeit – ich habe diese Buchführung bis auf den heutigen Tag fortgesetzt – sind sogar mehrere Bändchen daraus geworden. Wenn man das mit den Bibliotheken vergleicht, die mit Werken strategischen Inhalts gefüllt sind, mit den ungezählten Tausenden von Bänden, welche Kriegsgeschichte, Kriegsstudium und Kriegsverherrlichung enthalten, mit den militärwissenschaftlichen und militärtechnischen Lehrbüchern und Leitfäden über Rekrutenabrichtung und Ballistik, mit den Schlachtenchroniken und Generalstabsberichten, Soldatenliedern und Kriegsgesängen: ja, dann freilich könnte einen der Vergleich mit den paar Heftchen Friedensliteratur kleinmütig machen – vorausgesetzt, daß man die Kraft und den Gehalt – namentlich den Zukunftsgehalt – eines Dinges nach dessen Ausdehnung bemessen wollte. Wenn man aber bedenkt, daß eine Samenkapsel in sich die virtuelle Möglichkeit birgt, einen Wald entstehen zu machen, der ganze, über weite Felder ausgedehnte Unkrautmassen verdrängen wird; – und ferner bedenkt, daß die Idee im Reiche des Geistes dasselbe ist, was das Samenkorn im Reiche der Pflanzen – dann braucht man um die Zukunft einer Idee nicht besorgt zu sein, weil sich bisher die Geschichte ihrer Entfaltung in einem kleinen Heftchen aufzeichnen läßt.
Ich will hier einige Stellen anführen, wie sie unser Friedensprotokoll im Jahre 1867 aufwies. Auf der ersten Seite stand ein gedrängter historischer Überblick:
Vierhundert Jahre vor Christus schrieb Aristophanes eine Komödie: »Der Frieden«, in welcher eine humanitäre Tendenz vertreten ist.
Die griechische – später nach Rom verpflanzte – Philosophie vertritt das Streben nach »menschlicher Einheit« – von Sokrates an, welcher sich »Weltbürger« nennt, bis zu Terenz, dem »nichts Menschliches fremd«,
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