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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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leben: und neben diesem Stolz mußte natürlich auch der Vorsatz entstehen, den Gang solcher genußspendenden Kulturentwicklung nicht mehr durch brutales Vernichtungwüten zu hemmen. Diese hier als Gäste des Kaisers und der Kaiserin versammelten Könige, Fürsten und Diplomaten konnten doch bei all den ausgetauschten Höflichkeiten, Freundlichkeiten, Glückwünschen nicht daran denken, nächstens mit ihren Gastgebern oder untereinander Todesgeschosse zu tauschen? ... Nein: ich atmete auf. Dieses ganze blendende Ausstellungsfest schien mir die Bürgschaft, daß jetzt eine Aera von langen, langen Friedensjahren begonnen. Höchstens gegen einen Mongolenüberfall oder so etwas dergleichen konnten diese zivilisierten Leute noch das Schwert ziehen, aber gegeneinander? – das erlebten wir wohl nimmermehr. Was mich in dieser Auffassung bestärkte, war die Mitteilung, die mir über einen Lieblingsplan des Kaisers gemacht wurde: allgemeine Abrüstung . Ja, das stand bei Napoleon III. fest – ich habe es aus dem Munde seiner nächsten Verwandten und Vertrauten – : bei nächster passender Gelegenheit würde er sämtlichen europäischen Regierungen den Vorschlag unterbreiten, ihren Heeresstand auf ein Minimum herabzusetzen. Das ließ sich hören – das war wohl eine vernünftigere Idee als diejenige einer allgemeinen Heeresverstärkung. Damit wäre die bekannte Forderung Kants erfüllt, welche in Paragraph 3 der »Präliminar-Artikel zum ewigen Frieden« also formuliert ist:
    »Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören. Dieselben bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu scheinen, reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt (o prophetischer Weisenblick!) zu übertreffen, und indem durch die darauf gewendeten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursachen von Angriffskriegen, um diese Last los zu werden.«
    Welche Regierung konnte einen Vorschlag, wie der Franzose ihn plante, ablehnen, ohne sich als eroberungssüchtig zu entlarven? Welches Volk würde gegen solche Ablehnung nicht revoltieren? Der Plan mußte gelingen.
    Friedrich teilte meine Zuversicht nicht.
    »Vor allem bezweifle ich,« sagte er, »daß Napoleon diesen Vorsatz auch aufrichtig hegt. Und wenn auch: der Druck der Kriegspartei würde ihn an der Ausführung hindern. Überhaupt werden die Throninhaber an der Betätigung solcher, aus der Schablone fallender großer Willensmeinungen von ihrer Umgebung immer gehindert. Zweitens läßt sich einem lebenden Wesen nicht so »mir nichts, dir nichts« befehlen, daß es aufhöre zu sein. Da setzt es sich zur Wehr.«
    »Von welchem lebenden Wesen sprichst du.?«
    »Von der Armee. Dieselbe ist ein Organismus und als solcher lebensentfaltungs- und selbsterhaltungskräftig. Gegenwärtig steht dieser Organismus gerade in seiner Blüte, und wie du siehst – das allgemeine Wehrsystem soll ja auch in anderen Ländern eingeführt werden – ist er eben im Begriffe, sich mächtig auszubreiten.« –
    »Und dennoch willst du dagegen ankämpfen?«
    »Ja, aber nicht, indem ich hintrete und ihm sage: Stirb, Ungeheuer! . denn auf das hin würde mir besagter Organismus kaum den Gefallen erweisen, sich tot hinzustrecken. Sondern ich kämpfe dagegen, indem ich für ein anderes, noch ganz schwach aufkeimendes Lebensgebilde eintrete, welches, indem es an Kraft und Ausdehnung zunimmt, das andere verdrängen soll. Daß ich in solchen naturwissenschaftlichen Metaphern spreche – daran bist du ursprünglich schuld, Martha. Du warst es, welche mich zuerst verleitete, die Werke der modernen Naturforscher zu studieren. Dadurch ist mir die Einsicht aufgegangen, daß auch die Erscheinungen des sozialen Lebens nur dann in ihrer Entstehung verstanden und in ihrem künftigen Verlauf vorausgesehen werden können, wenn man sie als unter dem Einfluß ewiger Gesetze stehend auffaßt. Davon haben die meisten Politiker und hohen Würdenträger keinen blauen Dunst – das löbliche Militär schon gar nicht. Vor einigen Jahren wäre es mir auch nicht in den Sinn gekommen.«
    Wir wohnten im Grand-Hotel auf dem Boulevard des Capucines. Dasselbe war zumeist mit Engländern und Amerikanern gefüllt. Landsleute trafen wir nur wenige: der Österreicher ist nicht reiselustig. Wir suchten übrigens auch keinen Anschluß: meine Trauer war noch nicht abgelegt und wir hegten keinen Wunsch nach geselliger

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