Die Waffen nieder!
napoleonischen Dynastie wäre gesichert. »Il faut faire grand« meinten diese Ratgeber. Daß der Krieg, welcher im vorigen Jahre über die Luxemburger Frage in Aussicht stand, vereitelt worden, war jenen sehr unlieb; die beiderseitigen Rüstungen waren schon so schön gediehen, und jetzt wäre das Ding überstanden... Aber auf die Länge sei ein Kampf zwischen Frankreich und Preußen doch unvermeidlich... Unaufhörlich drang von solchen Dingen zu uns. Dergleichen ist man ja gewöhnt, in den Zeitungen anschlagen zu hören – so regelmäßig, wie die Brandung an der Küste. Dabei braucht man noch nicht an den Sturm zu denken; man lauscht ganz ruhig der Musikkapelle, die am Strande ihre lustigen Weisen spielt – die Brandung gibt nur einen leisen, unbeachteten Grundbaß dazu ab.
* * *
Das glänzende, von Vergnügungsmühen überbürdete Treiben erreichte seinen Höhepunkt in den Frühlingsmonaten. Da kamen noch die langen Boisfahrten in offenem Wagen, die verschiedenen Gemäldeausstellungen, Gartenfeste, Pferderennen, Picknickausflüge hinzu – und bei alledem nicht weniger Theater, nicht weniger Visiten, nicht weniger Diners und Soireen, als mitten im Winter. Wir begannen schon stark, uns nach Ruhe zu sehnen. Diese Art Leben hat eigentlich nur dann den wahren Reiz, wenn Koketterie- und Liebschaftsgeschichten damit verbunden sind. Mädchen, welche eine Partie suchen, Frauen, die sich den Hof machen lassen und Männer, die Abenteuer wünschen – für solche bietet jedes neue Fest, bei welchem man dem Gegenstand seiner Träume begegnen kann, ein lebhaftes Interesse – aber Friedrich und ich? ... Daß ich meinem Gatten unwandelbar treu war, daß ich mit keinem Blick einem anderen gestattete, sich mir mit verwegenen Hoffnungen zu nahen – das erzähle ich ohne jeglichen Tugendstolz. Es ist doch ganz selbstverständlich.
Ob ich unter anderen Verhältnissen auch all den Verlockungen widerstanden hätte, denen in solchem Vergnügungswirbel hübsche junge Frauen ausgesetzt sind – das kann ich ja nicht wissen; wenn man aber eine so tiefe und vollbeglückte Liebe im Herzen trägt, wie ich sie für meinen Friedrich empfand, da ist man auch gegen alle Gefahr gepanzert. Und was ihn anbelangt: war er mir treu? Ich kann nur so viel sagen: ich hab' es nie bezweifelt.
Als der Sommer ins Land gezogen kam, der »grand-prix« vorüber war und die verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft Paris zu verlassen begannen – die einen nach Trouville und Dieppe, nach Biarritz und Vichy, die anderen nach Baden-Baden, die dritten auf ihre Schlösser – Prinzessin Mathilde nach St. Gratien, der Hof nach Compiègne – da wurden wir mit Aufforderungen, das gleiche Reiseziel zu wählen und mit Einladungen nach den Landsitzen bestürmt; aber wir waren durchaus nicht gesonnen, die eben durchgemachte Luxus- und Vergnügungskampagne des Winters auch noch ins Sommerliche zu übertragen.
Nach Grumitz wollte ich vorderhand nicht zurückkehren: ich fürchtete zu sehr das Wiedererwachen der schmerzlichen Erinnerungen; auch hätten wir dort – der vielen Verwandten und Nachbarschaften wegen – nicht die gewünschte Einsamkeit gefunden.
So wählten wir denn abermals als Aufenthaltsort einen stillen Winkel der Schweiz. Wir versprachen unseren Pariser Freunden, im nächsten Winter wiederzukommen, und traten vergnügt, wie ferienreisende Schüler, unsere Sommerfahrt an.
Was nun folgte, war wirklich eine Erholungszeit. Lange Spaziergänge, lange Lesestunden, lange Spielstunden mit den Kindern und keine Eintragungen in die roten Hefte – letzteres ein Zeichen von Sorglosigkeit und Seelenruhe.
Auch Europa schien damals so ziemlich sorgenlos und ruhig zu sein. Wenigstens sah man nirgends »schwarze Punkte«. Selbst von der berühmten Revance de Sadowa hörte man nichts mehr verlauten.
Den größten Verdruß, den ich damals empfand, der war mir durch die seit einem Jahr bei uns in Österreich eingeführte allgemeine Wehrpflicht bereitet. Daß mein Rudolf einst werde Soldat sein müssen – das konnte ich nicht fassen. Und da phantasieren die Leute von Freiheit!
»Ein Jahr ›Freiwilliger‹ – tröstete mich Friedrich – »das ist nicht viel.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Und wäre es nur ein Tag! Keinen Menschen sollte man zwingen können, ein bestimmtes Amt, das er vielleicht haßt, auch nur einen Tag zu bekleiden, denn an diesem Tag muß er das Gegenteil von dem, was er fühlt, zur Schau tragen, muß beschwören, das mit Freuden zu tun, was
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