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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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italienischen Oper, wo Adelina Patti – eben mit dem Marquis de Caux verlobt – die Zuhörerschaft entzückte, oder im Théâtre Français, oder auch in einem kleineren Boulevard-Theater, um Hortense Schneider als Großherzogin von Gerolstein oder andere Operetten- und Vaudeville-Berühmtheiten zu sehen.
    Es ist doch sonderbar, wie, wenn man in diesen Wirbel des Glanzes und der Unterhaltungen gestürzt ist, wie einem diese kleine »große Welt« plötzlich so schrecklich wichtig vorkommt und die darin waltenden Gesetze von Eleganz und »chic« (damals hieß es noch »chic«) eine Art ganz ernsthaft genommener Pflichten auferlegen. Im Theater einen geringeren Platz einnehmen als eine Prozeniumsloge; in den Bois mit einem Wagen sich zeigen, dessen Gespann nicht tadellos wäre; auf den Hofball gehen, ohne eine von Worth »unterschriebene« 2000-Franken-Toilette zu tragen; sich zu Tische setzen ( Madame la baronne est servis ... .) auch wenn man keine Gäste hat, ohne sich von dem würdevoll amtierenden maître d'hôtel und einigen Lakaien die feinsten Gerichte und edelsten Weine auftragen zu lassen: – das wären alles arge Verstöße.
    Wie leicht – wie leicht geschieht es einem, wenn man von dem Räderwerk solcher Existenz erfaßt worden, daß man alle seine Gedanken und Gefühle auf dieses im Grunde gedanken- und gefühllose Treiben verwendet; daß man darüber vergißt, Anteil zu nehmen an dem Gang der wirklichen Welt draußen – ich meine das Universum – und an dem Bestande der eigenen Welt da drinnen – ich meine das häusliche Glück. Mir wäre es vielleicht so ergangen – aber davor schützte mich Friedrich. Er war nicht der Mann dazu, sich von dem Strudel der Pariser » haute vie « hinreißen und verschlingen zu lassen. Er vergaß über der Welt, in der wir uns bewegten, weder das Universum, noch unseren Herd. Ein paar Vormittagsstunden blieben uns nach wie vor der Lektüre und der Familie geweiht, und so brachten wir das größte Kunststück fertig, neben dem Vergnügen auch das Glück zu pflegen.
    Für uns Österreicher hegte man in Paris viel Sympathie. Oft wurde in politischen Gesprächen auf eine » Revanche de Sadowa « angespielt, so gewiß, als müßte die uns vor zwei Jahren geschehene Unbill wieder gut gemacht werden. Als ob sich überhaupt derlei wieder gut machen ließe! Wenn Schläge nicht anders zu tilgen sind, als wieder durch Schläge – dann kann das Ding ja niemals aufhören. Gerade meinem Manne und mir, weil dieser beim Militär gewesen und den böhmischen Feldzug mitgemacht, gerade uns glaubten die Leute nichts Angenehmeres und Höflicheres sagen zu können, als eine hoffnungsvolle Anspielung auf die bevorstehende Sadowa-Rache, welche bereits als ein geschichtliches, das »europäische Gleichgewicht« sicherndes und durch politisch-diplomatische Vorkehrungen gesichertes Ereignis behandelt wurde. Eine bei nächster Gelegenheit den »Preußen« zu gebende Schlappe war eine völkerpädagogische Notwendigkeit. Die Sache würde nicht tragisch ausfallen ... nur so etwas den Übermut gewisser Leute dämpfen. Vielleicht genügte zu diesem Zwecke auch schon diese an der Wand hängende Peitsche: sollte der Übermütige etwa kecke Anwandlungen bekommen, so war er ja gewarnt, daß sie auf ihn heruntersausen werde – die Revanche de Sadowa .
    Wir lehnten natürlich solche Tröstungen entschieden ab. Altes Unglück wird durch neues Unglück nicht verwischt, ebensowenig als altes Unrecht durch neues Unrecht getilgt werden kann. Wir versicherten, daß wir keinen anderen Wunsch hegten, als den nunmehrigen Frieden nicht mehr gebrochen zu sehen.
    Dasselbe war – so behauptete er wenigstens – auch der Wunsch Napoleons III. Wir verkehrten so viel mit Personen, welche dem Kaiser ganz nahe standen, daß wir genügend Gelegenheit hatten, dessen politische Gesinnungen, wie er sie in vertraulichen Aussprüchen laut werden ließ, kennen zu lernen. Nicht nur, daß er den momentanen Frieden wünschte, er hegte den Plan, den Mächten allgemeine Abrüstung vorzuschlagen . Aber um dieses auszuführen, fühlte er sich augenblicklich nicht sicher genug im Innern des Landes. Eine große Unzufriedenheit kochte und gärte unter der Bevölkerung, und in der nächsten Nähe des Thrones gab es eine Partei, welche darzustellen bemüht war, daß dieser Thron nicht anders zu festigen wäre, als durch einen auswärtigen glücklichen Krieg; so eine kleine Triumphpromenade am Rhein, und der Glanz und Bestand der

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