Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
gesichert.
    Wieder zerstreute sich die Pariser Gesellschaft nach allen Windrichtungen. Wir aber blieben – Geschäfte halber – zurück. Es hatte sich uns nämlich ein außerordentlich vorteilhafter Ankauf geboten. Durch die plötzliche Abreise eines Amerikaners war ein kleines, erst halbvollendetes Hotel in der Avenue de l'Imperatrice feil geworden, und zwar um einen Preis, der nicht viel mehr betrug, als die zur Ausschmückung und Einrichtung des Objektes bereits verwendete Summe. Da wir nun einmal die Absicht hatten, auch in Zukunft einige Monate des Jahres in Paris zu verbringen und da der betreffende Kauf zugleich ein vortreffliches Geschäft war, so schlossen wir den Handel ab. Die Fertigstellung wollten wir selber überwachen und zu diesem Behuf blieben wir in Paris. Die Ausschmückung eines eigenen Nestes ist zudem eine so genußreiche Arbeit, daß wir dafür die Unannehmlichkeit, den Sommer in der Stadt zu bleiben, gern auf uns nahmen.
    Übrigens blieb uns auch in geselliger Beziehung noch Ansprache genug. Das Schloß der Prinzessin Mathilde, St. Gratien, ferner Schloß Mouchy, dann Baron Rothschilds Besitzung, Ferrières, und noch mehrere andere Sommersitze unserer Bekannten lagen in der Nähe von Paris, und ein- oder zweimal wöchentlich statteten wir bald da, bald dort einen Besuch ab.
    Es war, ich erinnere mich, im Salon der Prinzessin Mathilde, daß ich zum erstenmal von der »Frage« hörte, die zur »schwebenden« werden sollte.
    Die Gesellschaft saß – nach dem Gabelfrühstück – auf der Terrasse, mit dem Ausblick nach dem Park. Wer alles da war? Dessen kann ich mich nicht mehr entsinnen – nur zwei der anwesenden Persönlichkeiten sind mir im Gedächtnis geblieben; Taine und Renan. Die geistvolle Herrin von St. Gratien liebte es, sich mit literarischen und wissenschaftlichen Größen zu umgeben.
    Die Unterhaltung war eine sehr rege und ich kann mich erinnern, daß es meist Renan war, der das Wort führte, geistsprühend und witzig. Wie man unglaublich häßlich sein kann und dabei doch unglaublichen Zauber ausüben, davon ist der Verfasser des Lebens Jesu ein merkwürdiges Beispiel.
    Jetzt fiel das Gespräch auch auf Politik. Für den spanischen Thron werde ein Kandidat gesucht ... Ein Prinz von Hohenzollern solle die Krone erhalten ... Ich hatte kaum hingehorcht, denn was konnte es mir, was konnte es allen hier Gleichgültigeres geben, als der spanische Königsthron und derjenige, der darauf zu sitzen käme? Doch da sagte jemand:
    »Ein Hohenzoller? Das wird Frankreich nicht dulden.«
    Das Wort schnitt mir in die Seele, denn was heißt dieses »nicht-dulden«? Wenn das im Namen eines Landes gesagt wird, so sieht man im Geiste die dieses Land personifizierende Riesenjungfrauen-Statue mit trotzig zurückgeworfenem Kopfe und mit der Hand am Schwertesknauf.
    Doch es wurde bald wieder auf ein anderes Gesprächsthema übergegangen. Wie folgenschwer diese spanische Thronfolge noch werden sollte, das ahnte unter uns noch niemand. Ich auch nicht, natürlich. Mir war nur das anmaßende »das wird Frankreich nicht dulden« als ein Mißton im Gedächtnis haften geblieben und damit zugleich die ganze umgebende Szenerie.
    Von nun an sollte die spanische Thronfolge immer lauter und aufdringlicher werden. Täglich wurde der Raum größer, den sie in den Zeitungen und in den Salongesprächen einnahm und ich weiß, daß sie mich in hohem Grade langweilte; diese Hohenzollern-Kandidatur: man konnte bald gar nichts anderes hören. Und mit einer Entrüstung wurde davon gesprochen, als könnte Frankreich nichts Beleidigenderes widerfahren; die meisten durchschauten es als eine von Preußen ausgehende Provokation zum Kriege. Es ist doch klar – hieß es – Frankreich konnte die Sache nicht dulden; wenn also die Hohenzollern darauf bestehen, so ist das die reine Herausforderung. Das verstand ich nicht. Übrigens war ich ohne Sorge. Wir erhielten Briefe aus Berlin, worin uns von wohlunterrichteter Seite mitgeteilt wurde, daß man bei Hofe nicht den mindesten Wert darauf lege, daß die spanische Krone einem Hohenzollern zufalle. Wir beschäftigten uns demnach weit mehr mit unserem Hausbau, als mit der Politik. Aber allmählich wurden wir doch aufmerksam. So wie vor dem Sturm ein gewisses Blätterrascheln durch den Wald geht, so raschelt es vor dem Krieg von gewissen Stimmen durch das Volk. »Nous aurons la guerre, nous aurons la guerre! « das tönte durch die Pariser Luft. Da erfaßte mich unsägliches Bangen.

Weitere Kostenlose Bücher