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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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geschaut und erzählt, war mir ins Herz gedrungen.
    Wie gern hätte ich mit Tilling über dieses Thema noch weiter gesprochen – aber er schien meine Bekanntschaft nicht pflegen zu wollen. Seit seinem Besuche waren vierzehn Tage vergangen und weder hatte er den Besuch wiederholt, noch war ich ihm in der Gesellschaft begegnet. Nur zwei- oder dreimal auf der Ringstraße und einmal im Burgtheater war ich seiner ansichtig geworden: er grüßte ehrerbietig, ich dankte freundlich – weiter nichts. Weiter nichts? ... Warum klopfte mir bei diesen Gelegenheiten das Herz, warum konnte ich dann stundenlang die Gebärde seines Grußes nicht aus dem Sinn bringen? ...
    »Liebes Kind, ich habe eine Bitte an dich.« Mit diesen Worten trat eines Vormittags mein Vater bei mir ein. Er hielt ein papierumwickeltes Paket in der Hand, »hier bringe ich dir etwas mit,« fügte er hinzu, das Ding auf einen Tisch legend.
    »Eine Bitte und ein Geschenk zugleich?« lachte ich. »Das ist ja Bestechung.«
    »So höre mein Anliegen, ehe du mein Geschenk auspackst und von dessen Macht geblendet wirst. Ich habe heute ein langweiliges Diner –«
    »Ja, ich weiß; drei alte Generäle mit ihren Frauen.«
    »Und zwei Minister mit den ihrigen; kurz, eine feierliche, steife, einschläfernde Geschichte –«
    »Du mutest mir doch nicht zu, daß ich –«
    »Ja, ich mute es dir zu, denn – da mich Damen mit ihrer Gegenwart beehren wollen – muß ich doch eine Dame zum Honneurs machen haben.«
    »Dieses Amt hat ja Tante Marie übernommen.«
    »Die ist heute wieder von ihrem gewissen Kopfschmerz befallen; es bleibt mir also nichts anderes übrig –«
    »Als deine Tochter hinzuopfern – wie dies schon andere Väter im Altertum – z. B. Agamemnon mit Iphigenia – getan? Ich füge mich.«
    »Übrigens sind unter den Gästen auch ein paar jüngere Elemente: Doktor Bresser, der mich in meiner letzten Krankheit so ausgezeichnet behandelt hat und dem ich die Artigkeit einer Einladung erweisen wollte; ferner Oberstleutnant Tilling – du wirst ja ganz feuerrot – was ist dir?«
    »Ich? ... Es ist die Neugier: jetzt muß ich doch schauen, was du mir gebracht hast.« Und ich begann, das Paket aus seiner Papierhülle zu lösen.
    »Es ist nichts für dich – erwarte nicht etwa ein Perlenhalsband. Das gehört dem Rudi.«
    »Ja, ich sehe, eine Spielereischachtel – ah, Bleisoldaten! Aber Vater, das vierjährige Kind soll doch nicht –«
    »Ich habe schon mit drei Jahren Soldaten gespielt – man kann nicht früh genug damit anfangen ... Meine allerersten Eindrücke waren Trommeln, Säbel – exerzieren, kommandieren: auf die Art erwachte die Liebe zum Metier, auf die Art –«
    »Mein Sohn Rudolf wird nicht unter die Soldaten gehen,« unterbrach ich.
    »Martha! Ich weiß doch, daß seines Vaters Wunsch –«
    »Der arme Arno ist nicht mehr. Rudolf ist mein alleiniges Eigentum und ich will nicht –«
    »Daß er den schönsten und ehrenvollsten Beruf einschlage?«
    »Das Leben meines einzigen Kindes soll nicht im Krieg auf das Spiel gesetzt werden.«
    »Ich war auch ein einziger Sohn und bin Soldat geworden. Arno hat keine Geschwister, so viel ich weiß, und dein Bruder Otto ist gleichfalls einziger Sohn und ich habe ihn doch in die Militärakademie gegeben. Die Tradition unserer Familie fordert es, daß der Sprosse eines Dotzky und einer Althaus seine Dienste dem Vaterlande weihe.«
    »Das Vaterland wird ihn weniger brauchen als ich.«
    »Wenn alle Mütter so dächten!«
    »Dann gäbe es keine Paraden und Revüen – und keine Männerwälle zum Niederschießen – kein ›Kanonenfutter‹, wie der bezeichnende Ausdruck heißt. Das wäre auch kein Unglück.«
    Mein Vater machte ein sehr böses Gesicht. Dann aber zuckte er die Achseln:
    »Ach, ihr Weiber,« sagte er verächtlich. »Zum Glück wird der Junge nicht um deine Erlaubnis fragen; das Soldatenblut fließt ihm in den Adern – Na, und dein einziger Sohn wird er ja nicht bleiben. Du mußt wieder heiraten, Martha. In deinem Alter ist's nicht gut, allein sein. Erzähl' mir: gibt es keinen unter deinen Bewerbern, der vor deinen Augen Gnade findet? Da ist zum Beispiel der Rittmeister Olensky, der sterblich in dich verliebt ist – er hat mir neulich wieder vorgeseufzt. Der gefiele mir recht gut als Schwiegersohn.«
    »Mir aber nicht als Gatte.«
    »Da wäre noch der Major Millersdorf –«
    »Und wenn du mir den ganzen Militärschematismus hersagst – es ist vergebens. Um wieviel Uhr findet dein Diner statt

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