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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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– wann soll ich kommen?« fragte ich, um abzubrechen.
    »Um fünf. Aber komm um eine halbe Stunde früher. Und jetzt adieu – ich muß fort. Grüß mir den Rudi – zukünftigen Oberbefehlshaber der k.k. Armee.«
    * * *
    Eine feierliche, steife, einschläfernde Geschichte – so hatte mein Vater sein bevorstehendes Diner genannt und so würde ich die Zeremonie auch aufgefaßt haben, wäre nicht der eine Gast gewesen, dessen Nähe mich eigentümlich bewegte ...
    Baron Tilling war knapp vor dem Speisen gekommen; ich hatte daher, als er mich im Salon begrüßte, nur zu einem ganz kurzen Wortaustausch Zeit gefunden, und bei Tisch, wo ich zwischen zwei eisgrauen Generälen saß, war der Baron so weit von mir entfernt, daß ich ihn unmöglich in die an unserem Tischende geführte Unterhaltung ziehen konnte. Ich freute mich auf die Rückkehr in den Salon; dort wollte ich Tilling an meine Seite rufen und ihn noch weiter ausforschen über jene Schlachtszene; ich sehnte mich danach, noch einmal jenen Ton zu hören, der mich das erstemal so sympathisch berührt hatte.
    Doch zur Ausführung dieses Vorhabens bot sich mir anfänglich keine Gelegenheit; die beiden Eisgrauen blieben mir auch nach Tische treu und nahmen an meiner Seite Platz, als ich im Salon mich anschickte, den schwarzen Kaffee einzugießen. Dazu gesellten sich noch, im Halbkreis, mein Vater, der Minister ***, Doktor Bresser – und auch Tilling, aber die sich entspinnende Unterhaltung war eine allgemeine. Die übrigen Gäste, darunter sämtliche Damen, ließen sich in einer anderen Ecke des Salons nieder, wo nicht geraucht wurde; während in unserer Ecke – auch ich hatte mir eine Zigarette angezündet – das Rauchen gestattet war.
    »Ob es denn nicht bald wieder losgehen wird?« warf einer der Generäle hin.
    »Hm,« meinte der andere, »den nächsten Krieg werden wir mit Rußland haben, denk' ich.«
    »Muß es denn immer einen nächsten Krieg geben?« warf ich dazwischen, aber niemand achtete darauf.
    »Eher mit Italien,« versicherte mein Vater. »Wir müssen doch unsere Lombardei zurückbekommen ... So einen Einmarsch in Mailand, wie im Jahre 49 mit Vater Radetzky an der Spitze – das wollte ich doch noch erleben. Es war an einem sonnigen Vormittag –«
    »Ach, die Geschichte vom Einmarsch in Mailand kennen wir alle.« unterbrach ich.
    »Auch die vom braven Hupfauf?«
    »Ich schon – und ich finde dieselbe sogar höchst widerwärtig.«
    »Was verstehst du davon?«
    »Lassen Sie hören, Althaus – wir kennen die Geschichte nicht.«
    Das ließ sich mein Vater nicht zweimal sagen.
    »Der Hupfauf also – vom Regiment Tiroler Jäger – selber ein Tiroler, hat ein famoses Stück'l aufgeführt. Er war der beste Schütz', den man sich denken kann; bei allen Scheibenschießen war er immer König – er traf fast jedesmal ins Ziel. Was hat der Mann getan, als die Mailänder revoltierten? Er erbat sich die Erlaubnis, mit vier Kameraden auf das Dach des Domes zu steigen und von dort auf die Rebellen herab zu schießen. Man hat's ihm erlaubt und er hat's auch ausgeführt. Die vier anderen, von welchen jeder einen Stutzen trug, taten weiter nichts, als ohne Unterlaß ihre Waffen laden und sie dem Hupfauf reichen, damit dieser keine Zeit verliere. Und so hat er hintereinander neunzig Italiener totgeschossen.«
    »Abscheulich!« rief ich. »Jeder dieser totgeschossenen Italiener, auf die er eben aus sicherer Höhe zielte, hatte eine Mutter und eine Geliebte zu Haus und hing wohl selber an seinem Leben.«
    »Jeder war ein Feind, Kind; das ändert den ganzen Standpunkt.«
    »Sehr richtig,« sagte Doktor Bresser; »so lange der Begriff Feindschaft unter den Menschen sanktioniert wird, so lange können die Gebote der Menschlichkeit keine allgemeine Geltung erlangen.«
    »Was sagen Sie, Baron Tilling?« fragte ich.
    »Ich hätte dem Manne einen Orden gewünscht, der ihm die tapfere Brust geschmückt – und eine Kugel, die ihm das harte Herz durchschossen hätte. Beides wäre verdient gewesen.«
    Ich warf dem Sprecher einen warmen, dankbaren Blick zu; die anderen aber, mit Ausnahme des Doktors, schienen von den eben gehörten Worten unangenehm berührt. Es entstand eine kleine Pause. Cela avait jeté un froid.
    »Haben Sie schon von dem Buche eines englischen Naturforschers namens Darwin gehört, Exzellenz?« wandte sich jetzt der Doktor an meinen Vater.
    »Nein, nichts.«
    »Doch, Papa ... erinnere dich nur: schon vor vier Jahren, als es eben erschienen war, hat uns

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