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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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diesen Gegenstand nicht Rede stehe. Auch bedauere ich, mich nicht länger aufhalten zu können – ich werde erwartet.«
    Jetzt nahm mein Gesicht einen kalten Ausdruck an: vermutlich erwartete ihn die Prinzessin – und der Gedanke war mir unangenehm.
    »Da will ich Sie nicht zurückhalten, Herr Oberstleutnant,« entgegnete ich kalt.
    Ohne nur die Erlaubnis zu erbitten, wiederkommen zu dürfen, verbeugte er sich und ging.
    * * *
    Fasching war zu Ende. Rosa und Lilli, meine Schwestern, hatten sich »ungeheuer amüsiert«. Jede verzeichnete ein halbes Dutzend Eroberungen; dennoch befand sich keine wünschenswerte Partie darunter und der »Rechte« war für keine erschienen. Desto besser: sie wollten gern noch ein paar Mädchenjahre genießen, ehe sie ins Ehejoch traten.
    Und ich? In den roten Heften stehen meine Faschingseindrücke folgendermaßen notiert:
    »Ich bin froh, daß die Tanzerei vorüber ist. Es fing schon an, eintönig zu werden. Immer dieselben Touren und immer dieselben Gespräche und immer ein und derselbe Tänzer: – denn ob es nun der Husarenleutnant X, oder der Dragonerleutnant Y, oder der Ulanenrittmeister Z ist – es sind doch die gleichen Verbeugungen, die gleichen Bemerkungen, die gleichen Seufzer und Blicke. Nicht ein interessanter Mensch darunter, nicht einer. Und der einzige, der allenfalls ... reden wir nichts von dem, der gehört ja seiner Prinzessin. Sie ist eine hübsche Frau, ja – zugestanden, aber ich finde sie unsympathisch.«
    Obgleich der Fasching mit seinen großen Ballfesten zu Ende war, so hatten die geselligen Vergnügungen darum nicht aufgehört. Soireen, Diners, Konzerte: der Wirbel dauerte fort. Auch eine große Liebhabertheatervorstellung ward in Aussicht genommen – dies doch erst nach Ostern. Für die Fastenzeit war doch eine Mäßigung in Vergnügen geboten – nach Tante Mariens Ansicht mäßigten mir uns lange nicht genug. Daß ich die Fastenpredigten nicht regelmäßig besuchte, konnte sie mir nicht recht verzeihen, und sie entschädigte sich für meine Lauheit, indem sie Rosa und Lilli zu allen berühmten Kanzelrednern schleppte. Die Mädchen ließen sich das gern gefallen; einmal trafen sie in den Kirchen mit ihrer ganzen gewohnten Koterie zusammen – Pater Klinkowström war ebensosehr Mode bei den Jesuiten, als die Murska in der Oper, und in zweiter Linie waren sie auch leidlich fromm.
    Aber nicht nur den Predigten, auch den Soireen hielt ich mich während jener Fastenzeit ziemlich fern. Ich hatte plötzlich an geselligen Zusammenkünften den Geschmack verloren und liebte es, manchmal allein zu Hause zu bleiben – mit meinem Sohn zu spielen, und wenn der Kleine zu Bett gebracht war, mich mit einem guten Buch an das Kaminfeuer zu setzen und zu lesen. Zuweilen besuchte mich dann mein Vater und verplauderte ein bis zwei Stunden bei mir. Natürlich kamen die Feldzugserinnerungen dabei unablässig zum Vorschein. Ich hatte ihm Tillings Bericht über Arnos Ende mitgeteilt; er nahm die Geschichte jedoch ziemlich kühl auf. Ob einer mit Schmerzen oder ohne Schmerzen geendet, schien ihm eine ganz nebensächliche Frage. »Geblieben« sein – wie der Tod auf dem Schlachtfelde heißt – war seiner Anschauung nach eine so rühmliche – durch ein so erhabenes Faktum herbeigeführte Sache, daß die Details der dabei allenfalls ausgestandenen körperlichen Leiden gar nicht in Betracht kamen. In seinem Munde klang das »Geblieben« stets wie die neidende Konstatierung einer besonderen Auszeichnung, und die dem »Bleiben« nächstfolgende Annehmlichkeit war nach seiner Auffassung offenbar das »Blessiert« werden. Die Art und Weise, wie er von sich mit Stolz und von den anderen mit Respekt erzählte, daß sie bei diesem oder jenem – nach irgendeiner Ortschaft benannten – Gefecht verwundet worden, ließ einen ganz vergessen, daß das Ding eigentlich weh tun könne. Welch ein Unterschied mit der kurzen Erzählung Tillings: in der Schilderung der zehn Unglücklichen, welche, von dem platzenden Geschoß zerschmettert, in lauten Jammer ausbrachen – was lag da für ein anderer Ton erschütternden Mitleids darin! Ich habe Tillings Worte meinem Vater nicht wiederholt, denn ich empfand instinktiv, daß ihm dieselben unsoldatenmäßig erschienen wären und seine Achtung vor dem Sprecher beeinträchtigt hätten, und das hätte mich verdrossen; denn gerade der vielleicht unsoldatische, aber sicherlich menschliche Abscheu, mit welchem er das schreckliche Ende seiner Kampfgenossen

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