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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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ihrer Wirklichkeit erfaßt und dies abgrundtiefe Unglück, das Massenverbrechen als geltend begreift, da wollte man nur noch eins, um sich aus dem unerträglichen Weh dieser Einsicht zu retten: – tot sein.«
    »Eigentlich, es ist wahr,« bemerkte Tante Marie nachdenklich, »Sätze wie: Du sollst nicht töten – sollst nicht stehlen – liebe deinen Nächsten wie dich selbst – verzeihe deinen Feinden –«
    »Gilt nicht,« wiederholte Tilling. »Und diejenigen, deren Beruf es wäre diese Sätze zu lehren, sind die ersten, welche unsere Waffen segnen und des Himmels Segen auf unsere Schlachtarbeit herabflehen.«
    »Und mit Recht,« sagte mein Vater. »Schon der Gott der Bibel war der Gott der Schlachten, der Herr der Heerscharen ... Er ist es, der uns befiehlt, das Schwert zu führen, er ist es –«
    »Als dessen Willen die Menschen immer dasjenige dekretieren,« unterbrach Tilling, »was sie getan sehen wollen – und dem sie zumuten, ewige Gesetze der Liebe erlassen zu haben, welche er, – wenn die Kinder das große Haßspiel aufführen –, durch göttliches »Gilt nicht« aufhebt. Genau so roh, genau so inkonsequent, genau so kindisch wie der Mensch, ist der jeweilig von ihm dargestellte Gott. Und jetzt, Gräfin,« fügte er hinzu, indem er aufstand, »verzeihen Sie mir, daß ich eine so unerquickliche Diskussion heraufbeschworen habe, und lassen Sie mich Abschied nehmen.«
    Stürmische Empfindungen durchbebten mich. Alles, was er eben gesprochen, hatte mir den teuren Mann noch teurer gemacht ... Und jetzt sollte ich von ihm scheiden – vielleicht auf Nimmerwiedersehen? So vor anderen Leuten ein kaltes Abschiedswort mit ihm wechseln und damit alles zu Ende sein lassen? ... Es war nicht möglich: ich hätte, wenn die Türe sich hinter ihm geschlossen, in Schluchzen ausbrechen müssen. Das durfte nicht sein. Ich stand auf: »Einen Augenblick, Baron Tilling,« sagte ich ... »ich muß Ihnen doch noch jene Photographie zeigen, von der wir neulich gesprochen.«
    Er schaute mich erstaunt an, denn es war zwischen uns niemals von einer Photographie die Rede gewesen. Dennoch folgte er mir in die andere Ecke des Salons, wo auf einem Tische verschiedene Albums lagen und – wo man sich außer Gehörweite der anderen befand.
    Ich schlug ein Album auf und Tilling beugte sich darüber. Indessen sprach ich halblaut und zitternd zu ihm: »So lasse ich Sie nicht fort ... Ich will, ich muß mit Ihnen reden.«
    »Wie Sie wünschen, Gräfin – ich höre.«
    »Nein, nicht jetzt. Sie müssen wiederkommen ... morgen, um diese Stunde!«
    Er schien zu zögern.
    »Ich befehle es ... bei dem Andenken Ihrer Mutter, um welche ich mit Ihnen geweint –«
    »O Martha!«
    Der so ausgesprochene Name durchzuckte mich wie ein Glücksstrahl.
    »Also morgen,« wiederholte ich, ihm in die Augen schauend.
    »Um dieselbe Stunde.«
    Wir waren einig. Ich kehrte zu den anderen zurück und Tilling, nachdem er noch meine Hand an seine Lippen geführt und die übrigen mit einer Verbeugung begrüßt hatte, ging zur Türe hinaus.
    »Ein sonderbarer Mensch,« bemerkte mein Vater kopfschüttelnd. »Was er da alles gesagt hat, würde höheren Ortes kaum Beifall finden.«
    * * *
    Als am folgenden Tage die bestimmte Stunde schlug, gab ich, wie anläßlich seines ersten Besuches, Befehl, niemand anderen als Tilling vorzulassen. Ich sah der kommenden Unterhaltung mit gemischten Gefühlen leidenschaftlichen Bangens, süßer Ungeduld und – einiger Verlegenheit entgegen. Was ich eigentlich ihm sagen wollte, das wußte ich nicht genau – darüber wollte ich gar nicht nachdenken. ... Wenn Tilling etwa die Frage an mich stellte: »Nun denn, Gräfin, was haben Sie mir mitzuteilen – was wünschen Sie von mir?« so konnte ich doch nicht die Wahrheit antworten, nämlich: »Ich habe »Ihnen mitzuteilen, daß, ich Sie liebe; ich wünsche, daß – Du bleibst.« – Aber in so trockener Form würde er mich wohl nicht verhören und wir würden uns schon verstehen, ohne solche kategorische Fragen und Antworten. Die Hauptsache war: ihn noch einmal sehen – und wenn schon geschieden sein mußte, so doch nicht ohne vorher ein herzliches Wort gesprochen, ein inniges Lebewohl getauscht zu haben. Bei dem blos gedachten Worte Lebewohl füllten sich meine Augen mit Tränen. –
    In diesem Augenblick trat der Erwartete ein. »Ich gehorche Ihrem Befehle, Gräfin und – was ist Ihnen?« unterbrach er sich. »Sie haben geweint? Sie weinen noch?«
    »Ich? ... nein ... es war der

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