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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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schlimmste an ihm. Wäre er Zivilist, so könnte man ihm die Ansichten noch verzeihen, die er gestern vorgebracht hat, aber bei einem Militär grenzen dieselben hart an Verrat ... Er möchte wohl gern seinen Abschied nehmen, um ja nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, einen Feldzug mitzumachen, dessen Strapazen und Leiden er offenbar fürchtet. Und da er kein Vermögen besitzt, so ist es eine ganz kluge Idee von ihm, eine reiche Heirat machen zu wollen. Ich hoffe aber zu Gott, daß sich zu diesem Zwecke keine Frau hergeben wird, welche die Tochter eines alten Soldaten ist, der in vier Kriegen gefochten hat, und bereit wäre, heute noch mit Begeisterung auszurücken – und die Witwe eines tapferen jungen Kriegers, welcher auf dem Felde der Ehre einen ruhmvollen Tod gefunden.«
    Mein Vater, welcher während des Sprechens mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder ging, war hochgerötet und seine Stimme zitterte vor Erregung. Auch ich war im Innersten erregt. Das Phrasenwerk, das hohle Wortgeklingel, in welche die Angriffe auf den Mann meiner Liebe eingekleidet waren, widerte mich an. Aber ich fand keine Entgegnung. Daß meine Verteidigung das bodenlose Unrecht, welches Tilling hier geschah, nicht aufheben konnte, das fühlte ich. Wenn mein Vater die gestern geäußerten Ansichten so falsch beurteilte, so lag das eben an einem gänzlichen Unverständnis. Gegen die Gesichtspunkte, welche Tilling vertreten hatte, war mein Vater einfach blind. Ich konnte ihn nicht sehend machen. Ich konnte ihn nicht lehren, einen anderen ethischen Maßstab – als den soldatischen, der ja in General Althaus' Augen der höchste Maßstab war – an die Gesinnungen zu legen, welche jener als Mensch und Denker hegte. Aber während ich dem eben gehörten Ausfall gegenüber so stumm dastand, daß mein Vater wohl glauben mochte, er habe mich beschämt und meine Absichten im Keime erstickt, fühlte ich mich doppelt sehnsüchtig zu dem verkannten Manne hingezogen und in dem Entschluß bestärkt, die Seine zu werden. Ich war ja zum Glück frei. Des Vaters Mißbilligung konnte mich allerdings betrüben, allein mich von dem Zuge meines Herzens zurückhalten, das konnte sie nicht. Und auch zu großer Betrübnis war kein Raum in meiner Seele. Das wunderbare, das mächtige Glück, welches in der letzten Viertelstunde sich mir eröffnet hatte, war zu lebhaft, um daneben den Verdruß aufkommen zu lassen.
    * * *
    Am folgenden Morgen erwachte ich mit einem Gefühle, das dem glich, womit ich jedesmal als Kind am Weihnachtstage und einmal als Braut an meinem Vermählungsmorgen erwachte: dieselbe unaussprechliche Erwartung, dasselbe erregte Bewußtsein, daß heute Frohes, Großes bevorstünde. Einige Mißstimmung brachte mir zwar die Erinnerung an die Worte, welche Tags vorher mein Vater gesprochen – aber diesen Gedanken hatte ich schnell wieder verscheucht.
    Es war noch nicht neun Uhr, als ich am Eingang der Praterallee den Wagen verließ und mein mit dem Reitknecht vorausgeschicktes Pferd bestieg. Das Wetter war frühlingsduftend und mild – zwar sonnenlos, darum aber nur desto milder, und Sonnenschein trug ich ohnehin im Herzen. Es hatte in der Nacht geregnet; die Blätter prangten in frischem Grün und aus dem Boden drang feuchter Erdgeruch herauf.
    Ich war kaum hundert Schritte die Allee hinabgeritten, als ich hinter mir den Hufschlag eines in scharfem Trabe heransprengenden Pferdes vernahm.
    »Ah, grüß Gott, Martha – das freut mich, dich hier zu treffen.«
    Es war Konrad, der Unvermeidliche. Mich freute diese Begegnung gar nicht. Nun freilich, der Prater war nicht mein Privatpark und an so schönen Frühlingsmorgen ist die Reitallee stets gefüllt: wie konnte ich nur so ungeschickt sein, hier auf ein ungestörtes Stelldichein zu rechnen? Althaus hatte sein Pferd die Gangart des meinen annehmen lassen – und schickte sich offenbar an, der treue Begleiter meines Spazierrittes zu sein. Jetzt erblickte ich von weitem Friedrich von Tilling, der in unserer Richtung die Allee herabgaloppierte.
    »Vetter – nicht wahr, ich bin dir eine gute Verbündete? Du weißt, daß ich mir Mühe gebe, Lilli für dich zu stimmen?«
    »Ja, edelste der Cousinen.«
    »Erst gestern abends habe ich ihr wieder deine guten Eigenschaften gepriesen ... denn du bist wirklich ein prächtiger Junge: gefällig, rücksichtsvoll –«
    »Was willst du nur von mir?«
    »Daß du deinem Tiere einen Gertenhieb gibst und weiter trabst ...«
    Schon war Tilling ganz nahe. Zuerst

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