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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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und Ruhm sind durch ganz andere Mittel zu erreichen, als durch den Krieg; stolz kann man auf ganz andere Leistungen sein, als auf Waffentaten; ich bin zum Beispiel auf unseren Anastasius Grün stolzer, als auf diesen oder jenen Generalissimus.«
    »Wie kann man einen Dichter mit einem Feldherrn nur vergleichen!« rief mein Vater. »Das frage ich auch. Der unblutige Lorbeer ist weitaus der schönere.«
    »Aber lieber Baron,« sagte nun meine Tante, »so habe ich noch keinen Soldaten sprechen hören. Wo bleibt da die Kampfbegeisterung, wo das kriegerische Feuer?«
    »Das sind mir keine unbekannten Gefühle, meine Gnädige. Von solchen beseelt, bin ich als neunzehnjähriger Junge zum erstenmal zu Felde gezogen. Als ich aber die Wirklichkeit des Gemetzels gesehen, nachdem ich Zeuge der dabei entfesselten Bestialität gewesen, da war es mit meinem Enthusiasmus vorbei, und in die nachfolgenden Schlachten ging ich schon nicht mehr mit Lust, sondern mit Ergebung.«
    »Hören Sie, Tilling, ich habe mehr Kampagnen mitgemacht als Sie und auch Schauderszenen genug gesehen, aber mich hat der Eifer nicht verlassen. Als ich im Jahre 49 schon als ältlicher Mann mit Radetzky marschierte, war's mit demselben Jubel wie das erste Mal.«
    »Entschuldigen Sie, Exzellenz – aber Sie gehören einer älteren Generation an, einer Generation, in welcher der kriegerische Geist noch viel lebendiger war, als in der unseren, und in welcher das Weltmitleid, das nach Abschaffung alles Elends begehrt und jetzt in immer größere Kreise dringt, noch sehr unbekannt war.«
    »Was hilft's? Elend muß es immer geben – das läßt sich nicht abschaffen, ebensowenig wie der Krieg.« ...
    »Sehen Sie, Graf Althaus, mit diesen Worten kennzeichnen Sie den einstigen, jetzt schon sehr erschütterten Standpunkt, auf welchem sich die Vergangenheit allen sozialen Übeln gegenüber verhielt, nämlich den Standpunkt der Resignation, mit der man das Unvermeidliche, das Naturnotwendige bedachtet. Wenn aber einmal beim Anblick eines großen Elends die zweifelnde Frage »Mußte es sein?« ins Herz gedrungen ist, so kann das Herz nicht mehr kalt bleiben, und es steigt neben dem Mitleid zugleich eine Art Reue auf – keine, persönliche Reue, sondern – wie soll ich sagen? – ein Vorwurf des Zeitgewissens. «
    Mein Vater zuckte die Achseln. »Das ist mir zu hoch,« sagte er. »Ich kann Sie nur versichern, daß nicht nur wir Großväter mit Stolz und Freude an die durchgemachten Feldzüge zurückdenken, sondern daß auch die meisten von den Jungen und Jüngsten, wenn befragt, ob sie gern in den Krieg zögen, lebhaft antworten würden: Ja gern – sehr gern.«
    »Die Jüngsten – gewiß. Die haben noch den in der Schule eingepflanzten Enthusiasmus im Herzen. Und von den anderen antworten viele dieses »Gern!«, weil es nach allgemeinen Begriffen als männlich und tapfer erscheint, das aufrichtige »Nicht gern« aber gar zu leicht als Furcht gedeutet werden könnte.«
    »Ach,« sagte Lilli mit einem kleinen Schauder, »ich würde mich auch fürchten ... Das muß ja entsetzlich sein, wenn so von allen Seiten die Kugeln fliegen, wenn jeden Augenblick der Tod droht –«
    »So etwas klingt aus Ihrem Mädchenmunde ganz natürlich,« entgegnet« Tilling, »aber wir müssen den Selbsterhaltungstrieb verleugnen ... Soldaten müssen auch das Mitleid, den Mitschmerz für den auf Freund und Feind hereinbrechenden Riesenjammer verleugnen, denn nächst der Furcht wird uns jede Sentimentalität, jede Rührseligkeit am meisten verübelt.«
    »Nur im Krieg, lieber Tilling,« sagte mein, Vater, »nur im Krieg, im Privatleben haben wir, Gott sei Dank, auch weiche Herzen.«
    »Ja, ich weiß: das ist so eine Art Verzauberung. Nach der Kriegserklärung heißt es plötzlich von allen Schrecknissen: »Es gilt nicht.« Kinder lassen manchmal diese Konvention in ihren Spielen walten. »Wenn ich dies oder jenes tue, so gilt es nicht,« hört man sie sagen. Und im Kriegsspiel herrschen auch solche unausgesprochene Übereinkommen: Totschlag gilt nicht mehr als Totschlag, Raub ist nicht Raub – sondern Requisition, brennende Dörfer stellen keine Brandunglücke, sondern »genommene Positionen« vor. Von allen Satzungen des Gesetzbuchs, des Katechismus, der Sittlichkeit heißt es da – solange die Partie dauert – »Es gilt nicht.« Wenn aber manchmal der Spieleifer nachläßt, wenn das verabredete »Gilt nicht« für einen Moment aus dem Bewußtsein schwindet und man die umgebenden Szenen in

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