Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
einer ist – wenn ich einst von dir so beweint werde, Rudolf, wie jener seine Mutter beweint, so werde ich mein Ziel erreicht haben.«
    Eigentlich eine törichte Einrichtung, das Tagebuchschreiben. Diese stets wechselnden, zerfließenden und neu erstehenden Wünsche, Vorsätze und Anschauungen, welche den Lauf des Seelenlebens bilden, durch aufgeschriebene Worte verewigen zu wollen, das ist ein verfehltes Beginnen und bringt dem älteren nachlesenden Ich die immerhin beschämende Erkenntnis der eigenen Veränderlichkeit. Hier standen nun auf demselben Blatte und unter demselben Datum zwei so grundverschiedene Stimmungen verzeichnet: zuerst die zuversichtlichste Hoffnung – daneben die vollständigste Entsagung und die nächsten Blätter sollen doch wieder ganz Neues berichten ...
    Der Ostermontag war vom herrlichsten Frühlingswetter begünstigt und die an diesem Tage hergekommenermaßen stattfindende Praterfahrt – eine Art Vorfeier des großen Ersten-Mai-Korso, fiel besonders glänzend aus. Ich weiß noch, wie dieser Glanz, diese Fest- und Lenzwonne, die mich da umgab, mit der Traurigkeit kontrastierte, welche mein Gemüt erfüllte. Und doch – ich hätte meine Traurigkeit nicht hergeben wollen – nicht wieder so heiteren, dabei aber leeren Herzens sein, wie vor etwa zwei Monaten, als ich Tilling noch nicht kannte. Denn wenn meine Liebe auch allem Anschein nach eine unglückliche war, so war es doch Liebe – das heißt eine Steigerung der Lebensintensität: dieses warme, zärtliche Gefühl, welches mein Herz schwellte, so oft das teure Bild mir vor das innere Auge trat – ich hätte es nimmer missen mögen. Daß ich den Gegenstand meiner Träume hier im Prater, mitten im Gewühl weiblicher Fröhlichkeit zu Gesicht bekommen würde, erwartete ich nicht. Und doch: als ich einmal zerstreut die Blicke nach der Reitallee schweifen ließ, sah ich von weitem, die Allee in unserer Richtung herabgaloppierend, einen Offizier, in welchem ich sogleich – obschon mein kurzsichtiges Auge ihn nur undeutlich ausnahm –, Tilling erkannte. Als er nun in die Nähe kam und, zu uns herübersalutierend, sich mit unserem Wagen kreuzte, da erwiderte ich seinen Gruß nicht nur mit einem Kopfnicken, sondern mit lebhaftem Winken. Im selben Augenblick war ich gewahr, daß ich da etwas Unpassendes und Ungerechtfertigtes getan.
    »Wem hast du solche Zeichen gemacht?« fragte meine Schwester Lilli: »War es etwa Papa? ... Ah, ich sehe,« fügte sie hinzu, »da spaziert ja eben der unvermeidliche Konrad – dem galt deine Handverrenkung?«
    Dieses rechtzeitige Erscheinen des »unvermeidlichen Konrad« kam mir sehr gelegen. Ich war dem treuen Vetter dankbar dafür und betätigte diese Dankbarkeit sofort
    »Schau, Lilli,« sagte ich, »er ist doch ein lieber Mensch und gewiß nur wieder deinetwegen hier – du solltest dich seiner erbarmen, du solltest ihm gut sein.... O, wenn du wüßtest, wie süß es ist, jemanden lieb zu haben, du würdest dein Herz nicht so verschließen. Geh, mach ihn glücklich, den guten Menschen.«
    Lilli schaute mich erstaunt an. »Wenn er mir aber gleichgültig ist, Martha?«
    »So liebst du vielleicht einen anderen?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Nein, niemand.«
    »O du Arme!«
    Wir fuhren noch zwei- oder dreimal die Allee auf und nieder. Aber denjenigen, nach welchem meine Blicke jetzt spähend umhersuchten, sah ich kein zweites Mal. Er hatte den Prater wieder verlassen.
    Einige Tage später, um die Nachmittagsstunde, trat Tilling bei mir ein. Er traf mich jedoch nicht allein. Mein Vater und Tante Marie waren auf Besuch gekommen, und außerdem befanden sich noch Rosa und Lilli, Konrad Althaus und Minister »Allerdings« in meinem Salon.
    Ich hatte Mühe, einen Überraschungsschrei zu unterdrücken: der Besuch kam mir so unerwartet und so freudig erregend zugleich. Aber mit der Freude war es bald vorüber, als Tilling, nachdem er die Anwesenden begrüßt und sich auf meine Einladung mir gegenüber niedergesetzt hatte, in kaltem Tone sagte:
    »Ich bin gekommen, Ihnen meine Abschiedsaufwartung zu machen, Gräfin. Ich verlasse in den nächsten Tagen Wien.«
    »Auf lange?« »Und wohin?« »Und warum?« »Und wieso?« fragten gleichzeitig und lebhaft die anderen, während ich stumm blieb.
    »Vielleicht auf immer. – Nach Ungarn. – Zu einem anderen Regiment versetzen lassen. – Aus Vorliebe für die Magyaren,« gab Tilling nach den verschiedenen Seiten Bescheid.
    Indessen hatte ich mich gefaßt. »Das war ein

Weitere Kostenlose Bücher