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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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»Edelmenschen« an. Und mir war es kein, gar kein Ersatz für mein Leid, daß der Vielgeliebte etwa um eine Rangstufe vorrücken könnte. Und falls das Unglück der gefährlichen ... Druck unleserlich ... Worte fehlen zum Unglück der ewigen Trennung sich steigerte – sollte Friedrich fallen –, so war mir die Staatsraison, wegen welcher dieser Krieg geführt werden mußte, nicht im entferntesten erhaben und heilig dünkend genug, um solches Opfer aufzuwiegen.– Vaterlandsverteidiger: das ist der schön klingende Titel, mit welchem der Soldat geschmückt wird. Und in der Tat: was kann es für die Glieder des Gemeinwesens für eine edlere Pflicht geben, als die, die bedrohte Gemeinschaft zu verteidigen? Warum aber bindet dann den Soldaten sein Fahneneid zu hundert anderen Kriegspflichten als die der Schutzwehr? Warum muß er angreifen gehen, warum muß er – wo dem Vaterlande nicht der mindeste Einfall droht – wegen der bloßen Besitz- und Ehrgeizstreitigkeiten einzelner fremder Fürsten, dieselben Güter – Leben und Herd – einsetzen, als ob es sich, wie es doch zur Rechtfertigung des Krieges heißt, um die Verteidigung des gefährdeten Lebens und Herdes handelte? Warum mußte hier zum Beispiel das österreichische Heer ausziehen, um den Augustenburger auf das fremde Thrönchen zu setzen? Warum – warum? – das ist ein Fragwort, welches an Papst und Kaiser zu richten, an sich schon hochverräterisch und lächerlich ist, welches dort als Irreligiosität und hier als Illoyalität gilt und welches nie beantwortet zu werden braucht...
    Um zehn Uhr morgens sollte das Regiment ausrücken. Wir waren die ganze Nacht aufgeblieben. Nicht eine Minute des uns noch gebliebenen Zusammenseins hatten wir verlieren wollen.
    Es war so viel, was wir uns noch zu sagen hatten, und doch sprachen wir nur wenig. Küsse und Tränen waren es zumeist, welche beredter als alle Worte sagten: Ich hab dich lieb und muß dich lassen. Dazwischen fiel auch wieder ein hoffnungsvolles Wort: »Wenn du wiederkommst« ... Es war ja möglich ... es kommen ja so viele Heim. Doch sonderbar! ich wiederholte: »Wenn du wiederkommst« und bemühte mich, mir das Entzückende dieser Eventualität vorzustellen, aber vergebens: meine Einbildungskraft vermochte kein anderes Bild zu schaffen, als des Gatten Leiche auf der Walstatt aber mich selber auf der Bahre mit einem toten Kind im Arm ...
    Friedrich war von ähnlich trüben Vermutungen erfüllt, denn sein »Wenn ich wiederkomme« klang nicht aufrichtig, und häufiger sprach er von dem, was geschehen sollte, »wenn ich bleibe«.
    »Heirate kein drittes Mal, Martha! Versuche nicht durch neue Liebeseindrücke die Erinnerungen dieser herrlichen Jahre ... nicht wahr, es ist eine glückliche Zeit gewesen?«
    Wir ließen nun hundert kleine Einzelheiten, welche von unserer ersten Begegnung bis zu dieser Stunde sich uns eingeprägt hatten, an unserem Gedächtnis vorüberziehen.
    »Und mein kleines, mein armes kleines, das ich wohl nie an mein Herz drücken werde – wie soll es getauft werden?
    »Friedrich oder Friedericke.«
    »Nein – Martha ist schöner. Wenn es ein Mädchen ist, so nenne ich es mit dem Namen, den sein sterbender Vater zuletzt –«
    »Friedrich – warum sprichst du immer vom Sterben? Wenn du wiederkommst ...«
    »Wenn ...« wiederholte er.
    Als der Tag zu grauen begann, fielen mir die tränenmüden Augen zu. Ein leichter Schimmer senkte sich auf uns beide; mit verschlungenen Armen lagen wir da, ohne das Bewußtsein zu verlieren, daß dies unsere Scheidestunde war.
    Plötzlich fuhr ich auf und brach in lautes Stöhnen aus. Friedrich erhob sich rasch.
    »Um Gotteswillen, Martha, was ist dir? ... Doch nicht? ... So sprich ... Etwa« ...
    Ich nickte bejahend.
    War es ein Schrei, oder ein Fluch, oder ein Stoßgebet, das sich seinen Lippen entrang? Er riß die Glocke und gab Alarm:
    »Augenblicklich zum Arzt, zur Wärterin!« rief er der herbeigeeilten Dienerin zu. Dann warf er sich an meine Seite kniend nieder und küßte meine herabhängende Hand:
    »Mein Weib, mein alles! ... Und jetzt – jetzt muß ich fort!«
    Ich konnte nicht sprechen. Der heftigste physische Schmerz, den man sich vorstellen kann, wand und krümmte meinen Leib und dabei war das Seelenweh doch noch entsetzlicher, daß er »jetzt, jetzt fort mußte« und daß er darüber so unglücklich war ...
    Bald kamen die Gerufenen herbei und machten sich um mich zu schaffen. Zu gleicher Zeit mußte Friedrich die letzte Vorbereitung

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