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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Tischchen, stand eine Vase mit stark duftenden Rosen. Durch das offene Fenster drang der Ton entfernter Trompetenübungen herein. Das alles wirkte einschläfernd, dennoch hatte mich das Bewußtsein nicht ganz verlassen. Nur die eine Hälfte davon – die Sorgenhälfte – war mir geschwunden. Die Kriegsgefahr und die mir bevorstehende Gefahr hatte ich vergessen: ich wußte nur, daß ich lebte, daß die Rosen – nach dem Rhythmus des Reveille-Signals – betäubend süße Düfte hauchten; daß mein geliebter Mann jede Minute hereinkommen konnte und, wenn er mich schlafen sähe, nur ganz leise träte, um mich nicht zu wecken. Und richtig: im nächsten Augenblicke öffnete sich die mir gegenüberliegende Türe. Ohne die Lider zu heben, nur durch eine linienbreite Spalte unter den Wimpern – konnte ich sehen, daß es der Erwartete war. Ich machte keinen Versuch, mich aus meinem Halbschlummer herauszureißen – dadurch hätte ich möglicherweise das ganze Bild verscheuchen können, denn vielleicht war die Erscheinung an der Tür nur ein fortgesetzter Traum, und vielleicht träumte ich nur, daß ich die Lider linienbreit geöffnet ... Jetzt schloß ich dieselben ganz und gab mir Mühe, weiter zu träumen, daß der Teuere näher kommt – sich herabbeugt und mir die Stirne küßt ...
    So geschah es auch. Dann kniete er neben mein Lager nieder und blieb eine Weile regungslos. Noch immer dufteten die Rosen und trarate das ferne Hornsignal ...
    »Martha, schläfst du,« hörte ich ihn leise fragen.
    Da schlug ich die Augen auf.
    »Um Gotteswillen, was ist's,« rief ich, zu Tode erschreckt – denn das Antlitz des an meiner Seele knienden Gatten war von so tiefer Trauer übergossen, daß ich mit einem Mal erriet, es sei ein Unglück hereingebrochen. Statt zu antworten, legte er sein Haupt an meine Brust.
    Ich wußte alles: Er muß fort ... Ich hatte den Arm um seinen Hals geschlungen und so blieben wir beide eine Zeitlang stumm.
    »Wann?« fragte ich endlich.
    »Morgen früh –«
    »O mein Gott – mein Gott!!«
    »Fasse dich, meine arme Martha –«
    »Nein, nein, laß mich jammern ... Mein Unglück ist zu groß – und ich weiß – ich seh' dir's an: das deine auch. So viel Schmerz, wie ich vorhin in deinen Zügen gelesen, habe ich noch in keines Menschen Angesicht gesehen.«
    »Ja, mein Weib – ich bin unglücklich. Dich jetzt lassen zu müssen, in einer solchen Zeit –«
    »Friedrich, Friedrich, wir sehen uns nimmer – ich werde sterben ...«
    * * *
    Es war ein herzzerreißender Abschied, der diese letzten vierundzwanzig Stunden füllte ... Das war nun das zweite Mal im Leben, daß ich einen teuren Gatten zu Felde ziehen sah. Doch unvergleichlich schwerer war diese zweite Losreißung als die erste. Damals war meine und besonders Arnos Auffassung eine ganz andere, primitivere gewesen: ich hatte das Ausrücken als eine alle persönlichen Gefühle überwiegende Naturnotwendigkeit – er sogar als eine freudige Ruhmesexpedition betrachtet. Er ging mit Begeisterung, ich blieb ohne Murren. Noch haftete etwas von der Kriegsbewunderung an mir, die ich in meiner Jugenderziehung eingesogen; noch fühlte ich dem Hinausstürmenden etwas von dem Stolze nach, welchen er angesichts der großen Unternehmung empfand. Aber jetzt wußte ich, daß der Scheidende eher mit Abscheu, denn mit Jubel an die Mordarbeit ging; ich wußte, daß er das Leben liebte, welches er aufs Spiel setzen mußte; daß ihm über alles – ja, alles , auch über die Rechtsansprüche des Augustenburgers – sein Weib teuer war, sein Weib, das in wenigen Tagen Mutter werden sollte. Während ich bei Arno die Überzeugung gehabt, daß er mit Gefühlen schied, um die er immerhin zu beneiden war, erkannte ich, daß bei dieser zweiten Trennung wir beide gleiches Mitleid verdienten. Ja, wir litten in gleichem Maße, und wir sagten und klagten es einander. Keine Heucheleien, keine leeren Trostphrasen, keine Prahlworte. Wir waren ja eins und keines suchte das andere zu betrügen. Es war noch unser bester Trost, daß jedes seine Trostlosigkeit vom andern voll verstanden wußte. Die Größe des über uns hereingebrochenen Unglückes suchten wir durch keine konventionellen, patriotischen und heroischen Mäntelchen und Lärvchen zu verhüllen. Nein – die Aussicht, auf Dänen schießen und hauen zu dürfen, war ihm keine, gar keine Wettmachung des Leides, mich verlassen zu müssen; im Gegenteile – eher eine Verschärfung: denn Töten und Zerstören widert jeden

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