Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
die Lombardei zurückholen können.«
    »Das wird Napoleon III. nicht zugeben, und mit dem wird sich der Preuße auch nicht brouillieren wollen,« meinte einer der Generäle. »Es ist ohnehin ein schlechtes Zeichen, daß Benedetti, Österreichs ärgster Feind, jetzt Gesandter in Berlin ist.«
    »Aber sagt mir doch, ihr Herren,« rief ich, die Hände faltend, »warum schließen denn nicht die sämtlichen gesitteten Mächte Europas einen Bund? das wäre doch das einfachste.« ...
    Die Herren zuckten die Achseln, lächelten überlegen und gaben mir keine Antwort. Ich hatte offenbar wieder eine jener Dummheiten ausgesprochen, wie sie »die Damen« zu sagen pflegen, wenn sie sich in das ihnen unzugängliche Gebiet der höheren Politik wagen.
    * * *
    Der Herbst war gekommen. Am 30. Oktober wurde zu Wien der Friede unterzeichnet und somit war der Zeitpunkt da, wo mein Lieblingswunsch – Friedrichs Quittierung – erfüllt werden sollte.
    Aber der Mensch denkt und die Umstände lenken. Es traf ein Ereignis ein – ein schwerer Schlag für mich –, das unsere so froh gehegten Pläne scheitern machte. Einfach dies: das Haus Schmitt & Söhne brach zusammen, und mein gesamtes Privatvermögen war hin.
    Auch eine Folge des Krieges, dieses Fallissement. Nicht nur die Mauern, auf welche sie gezielt sind, schießen die Kartätschen und Bomben zusammen –: durch diese Erschütterung fallen auch in weitem Umkreis Bankhäuser und Kreditgebäude in Trümmer ...
    Ich war darum nicht – wie so manche andere – an den Bettelstab gebracht; denn mein Vater würde es mir an nichts fehlen lassen. Aber mit dem Quittierungsplane war es jetzt vorbei. Wir waren keine unabhängigen Leute mehr; jetzt war Friedrichs Gehalt unsere einzige selbständige Hilfsquelle. Wenn mir mein Vater auch eine genügende Zulage gewähren würde – unter solchen Umständen war es ausgeschlossen, daß Friedrich den Dienst verlasse. Ich selber konnte es ihm nicht zumuten: welche Rolle hätte er da meinem Vater gegenüber gespielt?
    Es war nichts zu machen – wir mußten uns fügen. »Bestimmung« hätte Tante Marie gesagt. Von der Kränkung, die ich über diesen bedeutenden pekuniären Verlust empfand – es handelte sich um mehrere Hunderttausend – weiß ich nicht viel zu berichten. Es finden sich nämlich in meinem Tagebuche keine weitläufigen Eintragungen darüber, und auch mein Gedächtnis – das seither so viel tiefer schmerzende Eindrücke aufgenommen hat – weist von diesen Vorfällen keine sehr lebhaften Spuren mehr auf. Ich weiß nur, daß mir hauptsächlich um das schöne Luftschloß leid war, welches wir uns da gebaut hatten: Quittierung, Gutsankauf, unabhängige, von der sogenannten »Welt« abgeschiedene Existenz; im übrigen traf mich der Verlust nicht gar so schwer. Denn, wie gesagt: mein Vater würde mir bei seinen Lebzeiten nichts abgehen lassen und hernach mir ein genügendes Erbe hinterlassen; auch meinem Sohn Rudolf stand in Zukunft sicherer Reichtum bevor. Eins tröstete mich: es war ja nicht der mindeste Krieg in Sicht: man konnte gut auf zehn bis zwanzig Friedensjahre hoffen. – Bis dahin! ...
    Schleswig-Holstein und Lauenburg waren im Vertrag vom 30. Oktober endgültig an Preußen und Österreich zu freier Verfügung abgetreten. Diese beiden, nunmehr die besten Freunde, würden sich dieses Erfolges freuen, die hieraus erwachsenen Vorteile brüderlich teilen und keinen Grund finden zu streiten. Nirgends – am ganzen politischen Horizont – der berüchtigte »schwarze Punkt«. Die Scharte der in Italien erlittenen Niederlage war durch den in Schleswig-Holstein geholten Waffenruhm genügend ausgewetzt, es lag also auch für den militärischen Ehrgeiz keine Veranlassung mehr vor, neue Feldzüge heraufzubeschwören. In dieser Hinsicht also war ich beruhigt. Daß der Krieg vor so kurzer Zeit gewesen , faßte ich als Bürgschaft auf, daß derselbe sich nicht so bald wiederholen würde. Auf Regen folgt Sonnenschein und im Sonnenschein vergißt man den Regen. Auch nach Erdbeben und Vulkanausbrüchen bauen die Menschen auf der Schuttfläche wieder neue Wohnungen auf und denken nicht an die Gefahr, daß die überstandene Katastrophe sich wiederhole. Ein Hauptbestandteil unserer Lebensenergie scheint in der Vergeßlichkeit zu liegen.
    Wir nahmen Winterquartier in Wien. Friedrich hatte nunmehr Beschäftigung im Kriegsministerium, eine Tätigkeit, die er dem Kasernendienst jedenfalls vorzog. Dieses Jahr waren meine Schwestern mit Tante Marie den

Weitere Kostenlose Bücher