Die Waffen nieder!
aufgeschwungen; ich nahm an der Politik nur insofern Anteil, als sie auf Krieg und Frieden Bezug hatte, denn dies war mir – als Mensch und Gattin – Herzensfrage.
4. »Die Kriegskosten tragen die Herzogtümer.« Das war mir wieder einigermaßen klar. Das Land war verwüstet worden, die Saaten zertreten, dessen Söhne getötet: einiger Ersatz gebührte ihm doch – nun denn: es durfte die Kriegskosten tragen.
»Und was gibt es heute neues mit Schleswig-Holstein?« fragte ich selber, wenn das Gespräch noch nicht auf das politische Gebiet gelenkt worden war.
»Das neueste ist«, berichtete am 13. August mein Vater, »daß Herr von Beust an den Bundestag die Frage gestellt hat, mit welchem Rechte die Verbündeten sich die Herzogtümer von einem Könige abtreten ließen, den der Bund gar nicht als rechtmäßigen Besitzer anerkannt hatte.«
»Das ist eigentlich ein ganz vernünftiger Einwand,« bemerkte ich: »denn es hieß ja doch, der Protokoll-Prinz sei nicht der legitime Herr der deutschen Lande, und nun laßt ihr euch feierlich von Christian IX.« –
»Das verstehst du nicht, Kind,« – unterbrach mein Vater. »Eine Frechheit, eine Schikane ist es von diesem Herrn von Beust, weiter nichts. Die Herzogtümer gehören ohnehin schon uns, da wir sie erobert haben.«
»Aber doch nicht für euch erobert? – es hieß: für den Augustenburger.«
»Das verstehst du wieder nicht. Die Gründe, welche vor Ausbruch eines Krieges von den Kabinetten als Veranlassung desselben angegeben werden, die treten in den Hintergrund, sobald die Schlachten einmal geschlagen worden. Da bringen die Siege und Niederlagen ganz neue Kombinationen hervor; dann vermindern und vermehren und bilden sich die Reiche in vorher ungeahnten Verhältnissen.«
»Also sind die Gründe eigentlich keine Gründe, sondern Vorwände gewesen?« fragte ich.
»Vorwände? nein« – kam einer der Generäle meinem Vater zu Hilfe. – »Anlässe vielmehr, Anstöße zu den Ereignissen, welche sich dann selbständig nach Maßstab der Erfolge gestalten.«
»Hätte ich zu sprechen,« sagte mein Vater, »so würde ich nach Düppel und Alsen wahrlich zu keinen Friedensverhandlungen mich hergegeben haben – ganz Dänemark hätte man erobern können.«
»Und was damit?«
»Dem deutschen Bunde einverleiben.«
»Du bist doch sonst nur spezifisch österreichischer Patriot, lieber Vater – Was liegt dir an der Vergrößerung Deutschlands?«
»Hast du vergessen, daß die Habsburger deutsche Kaiser waren und es wieder werden können?«
»Das würde dich freuen?«
»Welchen Österreicher sollte dies nicht mit Freude und Stolz erfüllen?«
»Wie aber,« meinte Friedrich, »wenn die andere deutsche Großmacht gleiche Träume nährte?«
Mein Vater lachte laut auf:
»Die Krone des heiligen römisch-deutschen Reiches auf dem Haupte eines protestantischen Königleins? Bist du bei Trost?«
»Wenn jetzt nur nicht,« bemerkte Dr. Bresser, »zwischen den beiden Mächten über das Objekt, für welches sie vereint gefochten haben, ein Streit entsteht. Die Elbprovinzen erobern – das war eine Kleinigkeit – aber was nun damit anfangen? Das kann noch zu allerlei Verwickelungen Anlaß geben. Jeder Krieg – was immer dessen Ausgang sei – enthält unweigerlich den Keim eines folgenden Krieges in sich. Ganz natürlich: ein Gewaltakt verletzt immer irgend ein Recht. Dieses erhebt über kurz oder lang seine Ansprüche und der neue Konflikt bricht aus – wird dann von neuem durch unrechtsschwangere Gewalt zum Austrag gebracht – und so ins Unendliche.«
Einige Tage später gab es wieder eine Neuigkeit. König Wilhelm von Preußen stattete unserem Kaiser in Schönbrunn einen Besuch ab. Äußerst herzlicher Empfang, Umarmung. Aufgehißte preußische Adler. Von allen Militärkapellen vorgetragene preußische Volkshymne. Jubelnde Hochrufe. Mir waren diese Berichte wohltuend, denn durch sie wurde die schlimme Prophezeiung Doktor Bressers zuschanden gemacht, daß die beiden Mächte über das gemeinschaftlich befreite Ländchen miteinander in Streit geraten würden. Dieser beruhigten Zuversicht gaben auch allenthalben die Zeitungen Ausdruck.
Mein Vater freute sich gleichfalls über die freundschaftlichen Kundgebungen in Schönbrunn. Aber nicht vom friedlichen, sondern vom kriegerischen Standpunkte aus.
»Ich bin froh,« sagte er, »daß wir nun einen neuen Alliierten haben. Mit Preußen im Bunde werden wir – ebenso leicht, wie wir die Elbherzogtümer erobert haben – uns
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