Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
seiner Sorge »nichts zu tun, nichts zu sein und nichts zu haben,« schon beseitigt werden. Für das Sein und Haben wurde auch Abhilfe geschaffen:
    »Sein: k. k. Oberst a.D. und ein glücklicher Mensch – ist das nicht genug?« fragte ich. »Und haben: Du hast uns – mich und Rudi – – die Kommenden .... ist das nicht auch genug?«
    Er schloß mich lachend in die Arme.
    Meinem Vater und den anderen wollten wir von unseren Plänen vorläufig noch nichts mitteilen. Jedenfalls würden jene Einwände erheben, Ratschläge erteilen, Rügen aussprechen – und das war jetzt noch überflüssig. Später würden wir uns über derlei hinauszusetzen wissen: denn wenn sich zwei alles in allem sind, prallt jede fremde Meinung wirkungslos von ihnen ab. Diese gewonnene Sicherheit für die Zukunft erhöhte noch den Genuß der Gegenwart, welche sich ohnehin von der Folie der durchgemachten schweren Vergangenheit so vorteilhaft abhob ... ich kann es nur wiederholen: es war eine schöne Zeit.
    Mein Sohn Rudolf, nunmehr ein siebenjähriger kleiner Mann, fing jetzt an lesen und schreiben zu lernen, und seine Lehrerin – war ich. Ich hätte keiner »Bonne« die Freude gegönnt – was ihr übrigens vermutlich gar keine gewesen wäre – diese kleine Seele langsam sich entfalten zu sehen und derselben die ersten Überraschungen des Wissens beizubringen. Oftmals war der Kleine unser Begleiter auf unseren Spaziergängen und wir wurden nicht müde, die Fragen, welche seine erwachende Wißbegier an uns stellte, zu beantworten. Zu beantworten so gut und so weit wir konnten. Auf Lügen ließen wir uns nicht ein. Wir scheuten uns nicht, solche Fragen, auf die wir keinen Bescheid wußten – auf die kein Mensch Bescheid weiß – mit einem aufrichtigen »das weiß man nicht, Rudi« zu beantworten. Anfänglich geschah es, daß Rudolf, mit solcher Antwort nicht zufrieden, seine Frage nochmals bei Tante Marie, bei seinem Großvater oder bei – der Kinderfrau vorbrachte, und da wurden ihm stets unzweifelhafte Aufschlüsse zu teil. Triumphierend kam er dann zu uns: »Ihr wißt nicht, wie alt der Mond ist? Ich weiß es jetzt: sechstausend Jahre – merkt euch das.« Friedrich und ich wechselten einen stummen Blick. Ein ganzes Buch pädagogischer Klagen und Bedenken lag in diesem Blick und diesem Schweigen.
    Besonders unliebsam war mir die Soldatenspielerei, welche sowohl mein Vater wie mein Bruder mit dem Kleinen trieben. Die Begriffe von »Feind« und von »Dreinhauen« wurden ihm beigebracht, ich weiß gar nicht wie. Eines Tages kamen wir dazu, Friedrich und ich, wie Rudolf mit einer Reitgerte unbarmherzig auf zwei wimmernde junge Hunde einhieb.
    »Das ist ein falscher Italiener,« sagte er, auf das eine der armen Tierchen ausholend, »und das« – auf das andere – »ein frecher Däne«.
    Friedrich riß dem Nationenzüchter die Gerte aus der Hand:
    »Und das ist ein herzloser Österreicher,« sagte er, indem er ein paar tüchtige Schläge auf Rudolfs Schultern fallen ließ. Italiener und Däne liefen vergnügt davon, und das Wimmern wurde jetzt von unserem kleinen Landsmann besorgt.
    »Bist du mir böse, Martha, daß ich deinen Sohn geschlagen? Ich bin sonst wahrlich nicht für die Prügelstrafe eingenommen, aber Grausamkeit gegen Tiere kann mich entrüsten –«
    »Du hast recht getan,« unterbrach ich.
    »Also nur gegen Menschen ... darf man ... grausam sein?« fragte der Kleine mitten in seinem Schluchzen.
    »Auch nicht – noch weniger –«
    »Du hast doch selber auf Italiener und Dänen gehaut?«
    »Das waren Feinde –«
    »Die also darf man hassen?«
    »Und heute oder morgen« – wandte sich Friedrich leise an mich – »wird ihm der Pfarrer sagen, daß man seine Feinde lieben solle – o Logik!« Dann laut zu Rudolf: »Nicht, weil wir sie hassen, dürfen wir unsere Feinde schlagen, sondern weil sie uns schlagen wollen.«
    »Und warum wollen sie uns schlagen?«
    »Weil wir sie – nein, nein,« unterbrach er sich, »aus diesem Zirkel find' ich keinen Ausweg. Geh' spielen, Rudi – wir verzeihen dir – aber tu's nicht wieder.«
    Vetter Konrad machte, wie mir schien, einige Fortschritte in Lillis Gnade. Es geht doch nichts über Ausdauer. Ich hätte diese Verbindung sehr gern gesehen, und beobachtete mit Vergnügen, wie die Blicke meiner Schwester froh aufleuchteten, wenn von weitem der Hufschlag von Konrads Pferde sich vernehmen ließ, und wie sie seufzte, wenn er wieder davonritt. Er machte ihr nicht mehr den Hof, das heißt er

Weitere Kostenlose Bücher