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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Diner bei deinem Vater, wo ich neben Tilling saß, und weil ich zu viel Champagner getrunken hatte – daß ich da wirklich mein Herz sozusagen auf einem Präsentierteller ihm antrug –«
    »Und er?«
    »Und er mir noch rechtzeitig sagte, daß er dich über alles liebe und fest entschlossen sei, dir bis zum Tode treu zu bleiben. Damit du nun dieses Phänomen desto besser schätzen lernen mögest, ist der ganze Spaß gemacht worden.«
    »Von welchem Spaß redest du nur immer?«
    »Du weißt doch: nachdem der Brief samt Einlage von mir kommt –«
    »Von dir? ... Ich weiß nichts.« »Hast du denn das Begleitschreiben nicht umgewendet? Sieh her: hier steht ja auf der Kehrseite der Name und das Datum: Erster April .«
    * * *
    Näher gebracht – immer näher! Ich habe es erfahren, daß die Annäherungsfähigkeit liebender Herzen zu jenen Dingen gehört, die keine Grenzen haben – wie zum Beispiel die Teilbarkeit.
    Man sollte glauben, ein Partikelchen sei schon so klein, daß es nicht kleiner gedacht werden könne, und doch: es laßt sich noch in zwei Hälften spalten; und man sollte glauben, zum Herzen seien schon so ineinander verschmolzen, daß ein innigeres Einswerden nicht mehr möglich wäre, und doch: eine äußere Einwirkung, und noch fester und näher, – immer näher, – umschlingen und durchdringen sich die Herzensatome.
    So hatte Loris ziemlich geschmackloser Aprilscherz auf uns gewirkt, und so wirkte noch ein äußeres Ereignis, welches kurz darauf eintrat. Ein heftiges Nervenfieber nämlich, das mich sechs Wochen auf das Krankenlager warf. Ein an sich zwar trübes Ereignis, – und doch wie fruchtbar an glücklichen Erinnerungen für mich und wie einflußreich auf den oben geschilderten Vorgang: das »Noch-näher-bringen« von zwei so allernahesten Herzen. War es die Furcht, mich zu verlieren, die mich dem Gatten noch teurer machte, oder war mir seine Liebe nur noch offenbarer geworden durch sein Krankenwärter-Benehmen, – kurz, während dieses Nervenfiebers und nach demselben fühlte ich mich noch viel mehr und noch viel sicherer geliebt als zuvor.
    Vor dem Sterben hatte ich mich auch wohl gefürchtet. Einmal, weil es mir schrecklich leid getan hätte, ein Leben zu verlieren, das mir so reich an Schönheit und Glück schien, und meine Lieben, – Friedrich, mit dem ich so gern alt geworden wäre, Rudolf, den ich so gern zum Manne auferzogen hätte, zu verlassen; zweitens auch – nicht in Selbstsucht, sondern im Hinblick auf Friedrich – war mir der Gedanke an den Tod entsetzlich; denn ich wußte, so gewiß, als man nur wissen kann, daß der Schmerz, mich zu begraben, dem Beraubten schier unerträglich wäre ... Nein, nein: glückliche Menschen und von teuren Wesen geliebte Menschen können nicht Todesverachtung empfinden. Zu dieser gehört vor allem Lebensverachtung. Ich konnte auf meinem Lager, wo die Krankheit mit ihrer tödlichen Gewalt mich umschwirrte, wie der Krieger auf dem Schlachtfeld von Kugeln umschwirrt wird, mich so recht in die Empfindung solcher Soldaten hineindenken, welche das Leben lieben und welche wissen, daß ihr Tod geliebte Wesen in Verzweiflung stürzen würde.
    »Nur das eine hat der Soldat vor dem Fieberkranken voraus: das Bewußtsein erfüllter Pflicht,« antwortete mir Friedrich, als ich ihm diese Gedanken mitteilte. »Doch darin gebe ich dir recht: gleichgültig sterben, freudig sterben – was uns allenthalben zugemutet wird, – das kann kein glücklicher Mensch. Das konnten nur die aller Lebensnot Preisgegebenen in alter Zeit, die an der Friedensexistenz gar nichts zu verlieren hatten, oder solche, die sich und ihre Brüder nur durch den Tod von Schmach und unerträglichem Joche befreien können.«
    Als die Gefahr überstanden war, wie genoß ich da meine Genesung, eine Wiedergeburt! Das war ein Fest – für uns beide. Ähnlich dem Glücke bei der Wiedervereinigung nach dem Schleswig-Holsteiner Kriege, aber doch anders. Dort kam die Freude mit einem Schlag, und hier nach und nach – und zudem, wir waren uns ja seither wieder näher, immer näher.
    Mein Vater hatte mich während meiner Krankheit täglich besucht und viel Besorgnis gezeigt; dennoch, ich wußte, daß er sich meinen Tod nicht übertrieben zu Herzen genommen hätte. Seine beiden jüngeren Töchter hatte er viel lieber als mich, und der liebste von allen war ihm Otto. Ich war ihm durch meine zwei Heiraten, namentlich durch die zweite, und vielleicht auch durch meine ganz verschiedene Denkungsart,

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