Die Waffen nieder!
er nicht so arrogant wie seine Landsleute), frage ihn doch, was man dort im allgemeinen spricht über die politische Lage. Dieselbe ist doch sehr bedenklich.
* * *
Dieser Brief meiner Tante brachte mir erst wieder ins Gedächtnis, daß es eine »politische Lage« gebe. Die ganze Zeit über hatte ich mich nicht um derlei gekümmert. Vor und nach meiner Krankheit hatte ich zwar, wie immer, viel gelesen: Tage- und Wochenblätter, Revuen und Bücher, aber die Leitartikel der Zeitungen waren unbeachtet geblieben; seitdem ich nicht mehr die bange Frage aufstellte: »Krieg oder nicht Krieg«, besaß der inner- und außerpolitische Klatsch kein Interesse für mich. Erst anläßlich der Nachschrift des oben angeführten Briefes fiel mir ein, das Vernachlässigte einzuholen und mich nach den gegenwärtigen Verhältnissen zu erkundigen.
»Was will denn Tante Marie mit diesem ›bedrohlich‹ sagen, du minder arroganter Preuße?« frug ich meinen Mann, ihm den Brief zu lesen gebend. »Gibt es denn überhaupt jetzt eine politische Lage?«
»Die gibt es, – gerade so wie irgend ein Wetter, – leider immer. Und dabei ebenso veränderlich und trügerisch –«
»Nun, so erzähle mir ... Spricht man etwa noch immer von den verwickelten Elbherzogtümern? Sind die nicht abgemacht?«
»Mehr als je spricht man davon. Nicht im geringsten abgemacht. Die Schleswig-Holsteiner haben jetzt große Lust, die Preußen – die ›arroganten‹, denn das sind wir, dem neuesten Schlagwort gemäß, – wieder ganz los zu werden. ›Eher dänisch als preußisch‹, wiederholen sie eine ihnen von den Mittelstaaten gegebene Losung. Und weißt du, wie das abgedroschene »Meerumschlungen«-Lied jetzt zur Abwechselung gesungen wird?
»Schleswig-Holstein stammverwandt
Schmeißt die Preußen aus dem Land!«
»Und was ist's mit dem Augustenburger? Den haben sie doch? O, sag' mir nicht, Friedrich, daß sie ihn nicht haben ... Wegen dieses einzig berechtigten Thronerben, nach welchem die armen dänengedrückten Lande sich so gesehnt, mußte der ganze Krieg, der mich dich, – dich ! – hätte kosten können, geführt werden! Laß mir also wenigstens den Trost, daß der nötige Augustenburger in seine Rechte eingesetzt worden und über die ungeteilten Herzogtümer regiert. Auf diesem ›ungeteilt‹ bestehe ich: das ist ein altes historisches Recht, das jenem seit mehreren Hundert Jahren verbürgt ist und dessen Begründung ich mir mühsam genug erforscht habe.«
»Schlecht steht's um deine historischen Rechtsansprüche, meine arme Martha,« lachte Friedrich. »Vom Augustenburger ist – außer in seinen eigenen Protesten und Manifesten, – gar nicht mehr die Rede!«
Von nun an fing ich wieder an, mich um die politischen Verwicklungen zu bekümmern und erfuhr folgendes:
Festgesetzt und anerkannt war – trotz des beim Wiener Frieden gezeichneten Protokolls – eigentlich noch gar nichts. Die schleswig-holsteinische Frage war seither in allerlei Stadien gebracht worden, »schwebte« mehr als je. Der Augustenburger und der Oldenburger hatten sich beeilt – nach der von seiten des Glücksburger erfolgten Abtretung – beim Bundestag zu reklamieren. Und Lauenburg verlangte stürmisch, dem Königreich Preußen einverleibt zu werden. Niemand wußte, was die Verbündeten nun eigentlich mit den eroberten Provinzen anfangen würden. Von diesen beiden Mächten selber mutete jede der anderen zu, daß jede die andere übervorteilen wolle.
»Was will nur dieses Preußen?« Das ist nunmehr die von Österreich, von den Mittelstaaten und den Herzogtümern stets aufgeworfene, Böses ahnende Frage. Napoleon III. rät Preußen, es solle die Herzogtümer – bis auf das dänisch redende Nordschleswig annektieren. Aber daran denkt Preußen vorläufig nicht. Am 22. Februar 1865 formuliert es endlich seine Ansprüche dahin: Preußische Truppen bleiben in den Landen; die letzteren haben ihre Wehrkraft zu Wasser und zu Lande mit Ausnahme eines Budget-Kontingents Preußen zur Verfügung zu stellen. Der Kieler Hafen wird in Besitz genommen: Post und Telegraphen sollen preußisch werden, und die Herzogtümer müssen sich dem Zollverein anschließen.
Über diese Forderungen ärgert sich, – ich weiß nicht warum, – unser Minister Mensdorff-Pouilly. Und noch mehr, – ich weiß schon gar nicht warum, – vermutlich aus Neid, diesem Grundzug in Behandlung der »äußeren Angelegenheiten«, – ärgern sich die Mittelstaaten. Dieselben verlangen ungestüm, der
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