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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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einen großen Gewinn bringen – die Lombardei oder – was weiß ich? – die Provinz Schlesien ... Man kann nicht wissen, was sich da alles vorbereitet – es ist gar nicht unmöglich, daß wir dieses, der großen Marie Theresia entwendete Land den frechen Preußen wieder abnehmen« ...
    Ich erinnere mich, daß der Schluß von meines Vaters Trinkrede »eine Kälte« verbreitete. Die Lombardei und Schlesien – wahrlich, nach diesen fühlte niemand unter uns ein dringendes Bedürfnis. Und der darunter versteckte Wunsch: »Krieg« – also neuer Jammer, neue Todesqual – der stimmte schon gar nicht zu der weichen Fröhlichkeit, welche diese, durch einen neuen Liebesbund geweihte Stunde in unseren Herzen wachgerufen. Ich erlaubte mir sogar eine Entgegnung:
    »Nein, lieber Vater – für die Italiener und für die Preußen ist heute auch Neujahr ... da wollen wir ihnen kein Verderben wünschen. Mögen im Jahre 66 und in den folgenden alle Menschen besser, einträchtiger und glücklicher werden!«
    Mein Vater zuckte mit den Achseln!
    »O, du Schwärmerin,« sagte er mitleidig.
    »Durchaus nicht,« nahm mich Friedrich in Schutz. »Der von Martha ausgedrückte Wunsch beruht nicht auf Schwärmerei – denn seine Erfüllung ist uns wissenschaftlich verbürgt. Besser und einträchtiger und glücklicher werden die Menschen beständig – seit den Uranfängen bis auf heute. Aber so unmerklich langsam, daß eine kleine Spanne Zeit, wie ein Jahr, kein sichtbares Vorwärtsschreiten aufweisen kann.«
    »Wenn Ihr so fest an den ewigen Fortschritt glaubt,« warf mein Vater ein, »warum dann euer häufiges Klagen über Reaktion, über Rückfall in die Barbarei!« ...
    »Weil« – Friedrich zog einen Bleistift aus der Tasche und zeichnete auf ein Blatt Papier eine Spirale – »weil der Gang der Zivilisation so beschaffen ist wie dieses .... Bewegt sich diese Linie, trotz ihrer gelegentlichen Rückwärtskrümmungen, nicht sicher voran? Das beginnende Jahr kann freilich eine der Krümmungen vorstellen, besonders wenn, wie es den Anschein hat, wieder ein Krieg geführt werden sollte. So etwas schleudert die Kultur – in jeder, in materieller wie in moralischer Beziehung – immer wieder um ein gutes Stück zurück.«
    »Du sprichst nicht wie ein Soldat, mein lieber Tilling.«
    »Ich spreche von einer allgemeinen Sache, mein lieber Schwiegervater. Darüber kann meine Ansicht eine richtige oder falsche sein – ob sie nun eine soldatische sei oder nicht, ist eine andere Frage. Wahrheit gibt es doch überall nur eine ... Wenn ein Ding rot ist, soll es einer grundsätzlich blau nennen, wenn er eine blaue Uniform, und schwarz, wenn er eine schwarze Kutte trägt?«
    »Eine – was?« Mein Vater pflegte, wenn ihm eine Diskussion nicht recht genehm war, etwas Schwerhörigkeit hervorzukehren. Auf solches »was« die ganze Rede zu wiederholen – dazu hatten die wenigsten Leute die Geduld und man gab den Streit lieber auf.
    Noch in derselben Nacht, nachdem wir nach Hause gekommen, nahm ich meinen Mann ins Verhör:
    »Was hast du meinem Vater gesagt? ... Daß es allen Anschein habe, man würde sich in diesem Jahre wieder schlagen? Ich will dich in keinen Krieg mehr ziehen lassen, ich will nicht« ...
    »Was hilft dieses leidenschaftlich« ›ich will‹, meine Martha? Du wärest doch die erste, die es angesichts der Umstände wieder zurückzöge. Je wahrscheinlicher ein Krieg vor der Tür steht, desto unmöglicher wär' es mir, um Entlassung einzukommen. Unmittelbar nach Schleswig-Holstein wäre es tunlich gewesen –«
    »Ach, diese elenden Schmitt & Söhne !« ...
    »Doch jetzt, wo sich neue Wolken ballen –«
    »Du glaubst also wirklich, daß –«
    »Ich glaube, diese Wolken werden sich wieder verziehen – die beiden Großmächte werden sich doch jener Nordländchen wegen nicht zerfleischen. Aber weil es nun einmal drohend aussieht, würde ein Zurückziehen feige erscheinen. Das leuchtet dir wohl ein?«
    Diesen Gründen mußte ich mich fügen. Aber ich klammerte mich fest an das Hoffnungswort »Die Wolken werden sich verziehen«. Mit Spannung folgte ich nunmehr der Entwickelung der politischen Ereignisse und den darüber in Zeitungen und Gesprächen kursierenden Meinungen und Vorhersagungen. »Rüsten«, »rüsten« war jetzt die Losung. Preußen rüstet im stillen. Österreich rüstet im stillen. Die Preußen behaupten, daß wir rüsten, und es ist nicht wahr – sie rüsten. Sie leugnen – nein, es ist nicht wahr: wir rüsten. Wenn

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