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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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ist der erste schon wieder nachgewachsen.
    Da hatte mein Vater so ein paar Lieblingsbeweise zugunsten des Krieges, die nicht umzubringen waren.
    1. Kriege sind von Gott, – dem Herrn der Heerscharen, – selber eingesetzt, siehe die heilige Schrift.
    2. Es hat immer welche gegeben, folglich wird es auch immer welche geben
    3. Die Menschheit würde sich ohne diese gelegentliche Dezimierung zu stark vermehren.
    4. Der dauernde Friede erschlafft, verweichlicht, hat – wie stehendes Sumpfwasser – Fäulnis, nämlich den Verfall der Sitten zur Folge.
    5. Zur Betätigung der Selbstaufopferung, des Heldenmuts, kurz zur Charakterstählung sind Kriege das beste Mittel.
    6. Die Menschen werden immer streiten, volle Übereinstimmung in allen Ansprüchen ist unmöglich, – verschiedene Interessen müssen stets aneinanderstoßen, folglich ewiger Friede ein Widersinn.
    Keiner dieser Sätze, namentlich keins der darin enthaltenen »folglich« läßt sich stichhaltig behaupten, wenn man ihm zu Leibe rückt. Aber jeder dient dem Verteidiger als Verschanzung, wenn er die andern fallen lassen mußte. Und während die neue Verschanzung fällt, hat sich die alte wieder aufgerichtet.
    Zum Beispiel wenn der Kriegskämpe, in die Enge getrieben, nicht mehr imstande ist, Nr. 4 aufrecht zu erhalten und zugeben muß, daß der Friedenszustand menschenwürdiger, beglückender, kulturfördernder sei als der Krieg, so sagt er:
    Nun ja, ein Übel ist der Krieg schon, aber unvermeidlich, denn Nr. 1 und 2.
    Zeigt man nun, daß er vermieden werden könnte, durch Staatenbund, durch Schiedsgerichte usw., so heißt es:
    Nun ja, man könnte wohl, aber soll nicht, denn Nr. 5.
    Jetzt wirft der Friedensanwalt diesen Einwand um und beweist, daß im Gegenteile der Krieg den Menschen verroht und entmenschlicht. –
    Nun ja, das schon, aber Nr. 3.
    Dieses Argument, wenn von den Verherrlichern des Krieges angeführt, ist schon das allerunaufrichtigste. Eher dient es jenen, die den Krieg verabscheuen und die für die grausige Erscheinung doch einen Grund , ein die Natur sozusagen entschuldigendes Moment auffinden wollen; aber wer im Innern den Krieg liebt und ihn erhalten hilft, der tut es sicher nicht im Hinblick auf das Wohlbefinden entfernter Geschlechter. Die gewalttätige Dezimierung der gegenwärtigen Menschheit durch Totschlag, künstliche Seuchenbildung und Verarmung wird gewiß nicht veranstaltet, um von der künftigen die Gefahr etwaigen Mangelleidens abzulenken; wenn menschliches Eingreifen nötig wäre, um zum allgemeinen Wohle Übervölkerung zu verhüten, so gäbe es wohl direktere Mittel hierzu, als Kriegführung. Das Argument ist also nur eine Finte, welche aber meist mit Erfolg angewendet wird, weil sie verblüfft. Das Ding klingt so gelehrt und eigentlich sehr menschenfreundlich, – man denke nur: unsere lieben in einigen Tausend Jahren lebenden Nachkommen, denen müssen wir doch genügenden Ellenbogenraum schaffen! – Dieses Nr. 3 bringt viele Friedensverteidiger in Verlegenheit. Über solche naturwissenschaftliche und sozialökonomische Fragen sind die wenigsten Leute unterrichtet; die wenigsten wissen wohl, daß das Gleichgewicht von Sterblichkeit und Fruchtbarkeit von selber sich herstellt; daß die Natur über ihre Lebewesen nicht die vernichtenden Gefahren bringt, um deren Überzahl zu verhüten, sondern umgekehrt: daß sie die Fruchtbarkeit derer erhöht, die großen Gefahren ausgesetzt sind. Nach einem Kriege z.B. steigt die Zahl der Geburten, und so wird der Verlust wieder ersetzt; nach langem Frieden und bei Wohlstande fällt diese Zahl, – und so tritt die Überbevölkerung, – dieses Wahngespenst, – überhaupt nicht ein. Das alles aber hat man nicht klar vor Augen, man fühlt nur instinktiv, daß das berühmte Nr. 3 nicht richtig sein kann und keinesfalls vom anderen ehrlich gemeint ist. Da begnügt man sich, das alte Sprichwort anzuführen: »Es ist schon dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen« und dann – nicht jenes Resultat haben die Machthaber im Auge ...
    – Zugegeben – aber Nr. 1.
    Und so nimmt der Streit kein Ende. Der Kriegerische behält immer recht; sein Räsonnement bewegt sich in einem Kreise, wo man ihm stets nachlaufen, ihn aber nie erreichen kann. Der Krieg ist ein schreckliches Übel, aber er muß sein. – Er muß zwar nicht sein, aber er ist ein hohes Gut. Diesen Mangel an Folgerichtigkeit, an logischer Ehrlichkeit, lassen sich alle jene zuschulden kommen, welche aus

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