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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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gefaßt: 1. Selbstbestimmungsrecht des schleswig-holsteinischen Volkes bleibt in Kraft. Der Gasteiner Vertrag wird als Rechtsbruch von der Nation verworfen. 2. Alle Volksvertreter sollen den Regierungen, welche die bisherige Politik der Vergewaltigung fordern, alle Steuern und Anleihen verweigern.
15. Oktober. Preußischer Kronsyndikus gibt sein Gutachten über die Erbrechte des Prinzen Augustenburg ab. Der Vater desselben habe für sich und seine Nachkommen gegen eine Summe von anderthalb Millionen Speziestaler auf die Thronanwartschaft verzichtet. Im Wiener Frieden seien die Herzogtümer abgetreten – somit habe der Augustenburger gar nichts mehr zu beanspruchen.
    Eine Frechheit, eine Anmaßung – wird die in Berlin geführte Sprache genannt, und die »preußische Arroganz« wird zum Schlagwort, »Gegen die muß man sich schützen«: das wird allenthalben als Dogma aufgestellt. »König Wilhelm scheint sich auf den deutschen Viktor Emanuel aufspielen zu wollen.« – »Österreich hat die stille Absicht, Schlesien zurückzuerobern.« »Preußen buhlt mit Frankreich.« »Österreich buhlt mit Frankreich« ... et patati et patatà , wie die Franzosen sagen ... Tritschtratsch heißt es auf deutsch und pflegt in den Kaffeekränzchen der Kleinstädter nicht eifriger betrieben zu werden, als zwischen den Kabinetten der Großmächte.
    Der Winter brachte unsere ganze Familie wieder nach Wien zurück. Rosa und Lilli hatten sich in den böhmischen Bädern sehr gut unterhalten, aber verlobt hatte sich keine. Konrads Aktien standen vortrefflich. In der Jagdsaison war er nach Grumitz gekommen, und obwohl bei dieser Gelegenheit das entscheidende Wort noch immer nicht gesprochen wurde, waren jetzt doch beide in ihrem Inneren überzeugt, daß sie als ein Paar enden würden. Auch zu diesen Herbstjagden war ich, trotz meines Vaters dringenden Zuredens, nicht erschienen. Friedrich hatte keinen Urlaub erhalten und mich von ihm zu trennen, war ein Leidwesen, das ich mir ohne Notwendigkeit nicht auferlegen mochte. Ein zweiter Grund, mich nicht längere Zeit zu meinem Vater zu begeben, war der, daß ich meinen kleinen Rudolf nicht gern dem großväterlichen Einfluß überließ, denn dieser war dazu angetan, dem Kinde militärische Neigungen einzuflößen. Die Lust zu diesem Berufe, zu welchem ich meinen Sohn durchaus nicht bestimmen wollte, war ohnehin schon in ihm geweckt. Vermutlich lag's im Blute. Der Sproß einer langen Reihe von Kriegern muß naturgemäß kriegerische Anlagen zur Welt bringen. In den naturwissenschaftlichen Werken, deren Studium wir jetzt eifriger denn je betrieben, hatte ich von der Macht der Vererbung gelernt, von dem Wesen der sogenannten »eingeborenen Anlagen«, welche weiter nichts sind, als der Drang, die von den Ahnen angenommenen Gewohnheiten zu betätigen.
    Zu des Kleinen Geburtstag brachte ihm sein Großvater diesmal richtig wieder einen Säbel.
    »Du weißt doch, Vater,« sagte ich ärgerlich, »daß mein Rudolf durchaus nicht Soldat werden soll; ich muß dich schon ernstlich bitten –«
    »Also ein Muttersöhnchen willst du aus ihm machen? Daß wird dir hoffentlich nicht gelingen. Gutes Soldatenblut lügt nicht: ... Ist der Bursche einmal erwachsen, so wird er seinen Beruf schon selber wählen, – und einen schöneren gibt es nicht, als den, welchen du ihm verbieten willst.«
    »Martha fürchtet sich, den einzigen Sohn der Gefahr auszusetzen,« bemerkte Tante Marie, welche diesem Gespräche beiwohnte; »sie vergißt aber, daß, wenn es einem bestimmt ist, zu sterben, ihn dieses Los ebensogut im Bett, als im Krieg ereilt.«
    »Also wenn in einem Kriege hunderttausend Mann zu Grunde gegangen sind, so wären dieselben auch im Frieden verunglückt.«
    Tante Marie war um eine Antwort nicht verlegen.
    »Diese Hunderttausend waren dann eben bestimmt, im Kriege zu sterben!«
    »Wenn aber die Menschen so gescheit wären, keinen solchen mehr zu beginnen?« warf ich ein.
    »Das ist aber eine Unmöglichkeit,« rief mein Vater, und damit war das Gespräch wieder auf eine Kontroverse gebracht, welche er und ich des öfteren – und zwar stets in denselben Gleisen – zu führen pflegten. Auf der einen Seite die gleichen Behauptungen und Gründe, auf der anderen die gleichen Gegenbehauptungen und Gegengründe. Es gibt nichts, worauf die Fabel der Hydra so gut paßt, wie auf das Ungetüm: stehende Meinung. Kaum hat man ihm so einen Argumentenkopf abgeschlagen und macht sich daran, den zweiten folgen zu lassen, so

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