Die Waffen nieder!
Affekte fort – ohne daß mein verblüffter Vater ein Wort erwiderte – und brach schließlich in Tränen aus.
* * *
Jetzt folgte eine Zeit der schwankenden Hoffnungen und Befürchtungen. Heute hieß es »der Friede gesichert«, morgen – »der Krieg unvermeidlich«. Die meisten Leute waren letzterer Ansicht. Nicht so sehr, weil die Verhältnisse auf die Notwendigkeit eines blutigen Austrages wiesen, als deshalb, weil, wenn das Wort »Krieg« einmal gefallen, wohl noch sehr lange hin und her debattiert werden kann, aber erfahrungsgemäß das Ende jedesmal Krieg ist. Das kleine, unscheinbare Ei, welches den »Casus belli« enthält, wird da so lange ausgebrütet, bis das Ungetüm hervorkriecht.
Täglich zeichnete ich in die roten Hefte die Phasen des schwebenden Streites auf und so wußte ich damals, und weiß noch heute, wie der verhängnisvolle »66er Krieg« sich vorbereitet hat und wie er ausgebrochen ist. Ohne diese Eintragungen wäre ich wohl über das betreffende Stück Geschichte in derselben Unkenntnis, in welcher die meisten, inmitten der Geschichtsabspielung lebenden Menschen sich befinden. Gewöhnlich weiß die große Mehrzahl der Bevölkerung nicht, warum und wie ein Krieg entsteht – man sieht ihn nur eine Zeitlang kommen – dann ist er da. Und wenn er da ist, so fragt man schon gar nicht mehr nach den kleinen Interessen und Meinungsverschiedenheiten, die ihn herbeigeführt, sondern ist nur noch mit den gewaltigen Ereignissen beschäftigt, die sein Fortgang mit sich bringt. Und ist er einmal vorüber, so erinnert man sich höchstens der dabei persönlich erlebten Schrecken und Verluste – beziehungsweise Gewinne und Triumphe – aber an die politischen Entstehungsgründe wird nicht mehr gedacht. In den verschiedenen Geschichtswerken, welche nach jenem Feldzuge unter Titeln wie »Der Krieg vom Jahre – historisch und strategisch dargestellt –« und dergleichen erscheinen, werden alle vergangenen Streitmotive und alle taktischen Bewegungen des betreffenden Feldzuges aufgezählt, und wer dafür Interesse hat, kann in der einschlägigen Literatur sich Aufschluß holen; – aber im Gedächtnis des Volkes lebt diese Geschichte gewiß nicht fort. Auch von den Gefühlen des Hasses und der Begeisterung, der Erbitterung und Siegeshoffnung, mit welchen die ganze Bevölkerung den Anfang des Krieges begrüßt – Gefühle, welche sich in dem Schlagwort äußern: »dieser Krieg ist sehr populär«, auch davon ist nach ein paar Jahren alles verwischt.
Am 24. März erläßt Preußen ein Rundschreiben, worin es sich über die bedrohlichen österreichischen Rüstungen beklagt. – Warum rüsten wir denn nicht ab, wenn wir nicht bedrohen wollen? – Wie sollen wir? Es wird ja am 28. März preußischerseits verfügt, daß die Festungen in Schlesien und zwei Armeekorps in Bereitschaft gesetzt werden sollen ...
31. März. Gott sei Dank! Österreich erklärt, daß sämtliche umlaufende Gerüchte über geheimes Rüsten falsch seien; es falle ihm gar nicht ein, Preußen anzugreifen. Es stellt daher die Forderung, daß Preußen seine Kriegsbereitschafts-Maßnahmen einstelle.
Preußen erwidert: Es denke gar nicht im entferntesten daran, Österreich anzugreifen, aber durch des letzteren Rüstungen ist es gezwungen, sich auf einen Angriff gefaßt zu machen.
So wird der zweistimmige Wechselgesang unausgesetzt fortgeführt:
Meine Rüstung ist die defensive,
Deine Rüstung ist die offensive,
Ich muß rüsten, weil du rüstest,
Weil du rüstest, rüste ich,
Also rüsten wir,
Rüsten wir nur immer zu.
Die Zeitungen geben die Orchesterbegleitung zu diesem Duo ab. Die Leitartikler schwelgen in sogenannter Konjekturalpolitik. Es wird geschürt, gehetzt, geprahlt, verleumdet. Geschichtswerke über den siebenjährigen Krieg werden veröffentlicht, mit der ausgesprochenen Tendenz, die einstige Feindschaft aufzufrischen.
Indessen, der Notenwechsel dauert fort. Unterm 7. April leugnet Österreich nochmals offiziell seine Rüstungen, spielt aber auf eine mündliche Äußerung an, welche Bismarck gegen Károlyi gemacht hätte, »daß man sich über den Gasteiner Vertrag leicht hinwegsetzen werde«. – Also davon sollen die Völkerschicksale abhängen, was zwei Herren Diplomaten in mehr oder minder guter Laune über Verträge sprechen? Und was sind das überhaupt für Verträge, deren Einhalten von dem guten Willen der Kontrahenten abhängig bleibt und durch keine höhere schiedsrichterliche Gewalt gesichert wird?
Auf diese
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