Die Waffen nieder!
jene rüsten, müssen wir auch rüsten. Wenn wir abrüsten, wer weiß, ob jene abrüsten? So schlug die Rüsterei in allen möglichen Varianten an mein Ohr. – Aber wozu denn dieses Waffengeklirre, wenn man nicht angreifen will? fragte ich, worauf mein Vater den alten Spruch vorbrachte: Si vis pacem, para bellum : Wir rüsten ja doch nur aus Vorsicht. – Und die anderen? – In der Absicht, uns zu überfallen. – Jene sagen aber auch, daß sie sich nur gegen unseren Überfall vorsehen. – Das ist Heimtücke. – Und sie sagen, daß wir heimtückisch seien. – Das sagen sie nur als Vorwand, um besser rüsten zu können.
Wieder so ein endloser Zirkel, eine sich in den Schwanz beißende Schlange, deren oberes und unteres Ende zweifache Unaufrichtigkeit ist .... Nur um einem Feinde zu imponieren, der den Krieg will , kann die rüstende Schreckmethode etwa des Friedens willen am Platze sein; aber zwei Gleichgesinnte, Frieden Wollende, können unmöglich nach diesem System handeln, ohne daß jeder fest überzeugt sei, daß der andere mit leeren Phrasen lügt. Und diese Überzeugung wird nur so fest, wenn man selber hinter den gleichen Phrasen dieselben Absichten versteckt, deren man den Gegner beschuldigt. Nicht nur die Auguren – auch die Diplomaten wissen von einander genau, was jeder hinter den öffentlichen Zeremonien und Redeweisen im Sinne führt ....
Das beiderseitige In-Kriegsbereitschaft-setzen dauerte die ersten Monate des Jahres fort. Am 12. März kam mein Vater freudestrahlend in mein Zimmer gestürzt.
»Hurra!« rief er. »Gute Nachrichten –«
»Abgerüstet?« fragte ich freudig.
»Warum nicht gar! Im Gegenteil, die gute Nachricht ist die: Gestern wurde großer Kriegsrat gehalten ... Es ist wirklich glänzend, über welche Streitmacht wir verfügen ... da kann sich der arrogante Preuße verstecken. – Mit 800 000 Mann sind wir stündlich bereit, auszurücken. Und Benedek, unser tüchtigster Stratege, wird Oberfeldherr mit unbeschränkter Vollmacht .... Ich sag' dir's im Vertrauen, Kind: Schlesien ist unser, wenn wir nur wollen« ...
»O Gott, o Gott,« – stöhnte ich – »soll denn wieder diese Geißel über uns kommen! Wer – wer kann denn nur so gewissenlos sein – aus Ehrgeiz, aus Ländergier –«
»Beruhige dich. Wir sind nicht so ehrgeizig – noch sind wir ländergierig. Wir wollen – (das heißt ich gerade nicht, mir wäre die Wiedergewinnung unseres Schlesiens schon recht) aber die Regierung will Frieden halten – das hat sie oft genug versichert. Und der ungeheuere Stand unserer aktiven Armee, wie derselbe aus den im gestrigen Kriegsrat dem Kaiser vorgelegten Mitteilungen sich ergibt, wird allen anderen Mächten gehörigen Respekt einflößen .... Preußen wird wohl zu allererst klein beilegen und aufhören, das große Wort führen zu wollen ... Wir haben, Gott sei Dank, in Schleswig-Holstein auch noch mitzureden – und werden sicher nie dulden, daß sich der andere Großstaat durch allzustarke Machtausdehnung eine überwiegende Stellung in Deutschland erringe ... Da handelt es sich um unsere Ehre, um unser »prestige« – vielleicht um unsere Existenz – das verstehst du nicht ... Das ganze, ist ja doch nur ein Hegemoniestreit – um das miserable Schleswig handelt es sich am wenigsten – aber der prächtige Kriegsrat hat deutlich gezeigt, wer den ersten Rang einnimmt und wer den anderen Bedingungen vorschreiben darf; die Nachkommen der kleinen Brandenburger Kurfürsten oder diejenigen der langen römisch-deutschen Kaiser-Reihe! Ich halte den Frieden für gesichert. Sollten aber die anderen dennoch fortfahren, sich unverschämt und arrogant zu gebärden und dadurch einen Krieg unvermeidlich machen, so ist uns der Sieg verbürgt und mit demselben ganz unberechenbare Gewinne ... Es wäre zu wünschen, daß es losginge –«
»Nun ja, das wünschest du auch, Vater – und mit dir wahrscheinlich der ganze Kriegsrat! So ist's mir lieber, wenn das aufrichtig gesagt wird ... Nur nicht diese Falschheit, dem Volke und den Friedliebenden zu versichern, daß all die Waffenanschaffungen und Heerverstärkungen und Militärkreditforderungen nur um des lieben Friedens willen geschehen. Wenn ihr schon die Zähne zeigt und die Fäuste ballt, so flüstert keine sanften Worte dazu – wenn ihr schon vor Ungeduld zittert, das Schwert zu schwingen, so macht doch nicht, als legtet ihr aus bloßer Vorsicht die Hand an den Knauf« ...
So redete ich eine Weile mit bebender Stimme und steigendem
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