Die Waffenhändler von Hamor
traurigen Worte des ehrwürdigen Schriftstellers lassen die andere Frage wieder auftauchen, und auch diese klingt ganz einfach, lässt jedoch ebenfalls keine einfache Antwort zu: Formen die Zeiten den Menschen oder kann der Mensch die Zeiten formen? Wurde der ehrwürdige Schreiber inspiriert von den Kräften Cyadors oder reagierte er nur auf diese Kräfte? Oder steuerte er sie gar selbst? Da Lorn nicht weiß, wer der Mann war, hat er auch keine Antworten, und die Worte des Schriftstellers bieten ebenfalls keine absolute Sicherheit für irgendetwas.
Er schüttelt resignierend den Kopf und gähnt. Solche philosophischen Überlegungen werden ihm bei dem, was er noch vollbringen muss, gewiss nicht weiterhelfen. Noch einmal gähnt er, dann steht er auf und dreht die Lampe herunter. Er hat viel zu tun am nächsten Morgen, so wie jeden Morgen.
XV
D ie zwei Männer stehen am Ende einer weißen Steinpier, an der keine Schiffe liegen. Unter den dicken Wolken des kalten Frühlingstages bläst der Wind weiße Kronen auf das kabbelige, graublaue Wasser im Hafen von Cyad. In der Mitte der Pier stehen zwei Gruppen von uniformierten Männern, jede bei einem Poller. Die eine Gruppe ist in grüne Uniformen mit goldenen Tressen gekleidet, die andere, eine kleinere Einheit, in verwaschenes Blau. Beide Gruppen beobachten die zwei Händler, die einander gegenüberstehen.
Die beiden Männer tragen keinen Bart, ihre Kleidung ist aus blauem Schimmertuch. Der eine wirkt schwerfällig, ist groß und beleibt und seine braunen Augen scheinen von den dicken Lidern fast erdrückt zu werden. Sein glattes dunkelbraunes Haar ist sorgfällig frisiert, aber bereits schütter, und flattert im Wind. Der zweite Händler ist von mittlerer Größe und wirkt gepflegt. Sein sandfarbenes Haar weist schon einige silberne Strähnen auf und seine Augen sind haselnussbraun.
Der schwere Händler blickt den kleineren Mann an. »Hochverehrtes Klan-Oberhaupt Tasjan, mir ist zu Ohren gekommen, dass es im Dyjani-Klan einige Stimmen gibt, die nach einer Veränderung bei den Händlern verlangen.«
»Solche, die nach Veränderung streben, gibt es immer.« Tasjans Stimme ist ein weicher, tiefer Bass, was bei einem so schlanken Mann ein wenig überrascht.
»Die Worte künden nicht nur von Veränderungen. Es wird auch vom zukünftigen Kaiser gesprochen.«
»Es wird immer wieder gefragt: ›Wäre es nicht an der Zeit für einen Händler-Kaiser? Können wir nicht einen der unseren mit Klingen und Goldstücken unterstützen, der dann in den kommenden Jahren regieren wird? Können wir jene nicht endlich absetzen, die die sprichwörtliche zersprungene und unbrauchbar gewordene Vase der Vergangenheit noch immer verehren?‹« Tasjan lacht. »Ich höre solche Fragen, seit ich ein kleiner Junge bin. Und Ihr auch.«
»Solche Fragen sind gefährlich heutzutage«, bemerkt Bluoyal.
»Weil der Kaiser alt wird, Bluoyal? Oder weil er mit seinem Handelsberater nicht mehr zufrieden ist?«
»Vergesst nicht, Tasjan, dass ich derjenige war, der Fuyol beruhigt hat, als er Euch und Eure Erben mit Hilfe von Schwertern auslöschen wollte. Ich war es, der ihn beschwichtigt hat.«
»Ich schätze Eure Taten, mein alter und hochverehrter Freund.« Tasjan zuckt die Schultern. »Aber keiner wollte sein Gold annehmen, und nun liegt er im Sterben und alle wenden sich von ihm ab.«
»Da war diese Angelegenheit mit der Handelsplakette der Dyjani«, sagt Bluoyal. »Und ein mit Cupridium veredelter brystanischer Säbel. Es sind die Dyjani, die mit Säbeln aus Brysta handeln – sie sind die Einzigen, wenn ich mich recht entsinne.«
»Jedem ist bekannt, dass nur wir mit solchen Waffen handeln. Neben dem Haus Bluyet natürlich, welches auch damit Geschäfte macht, aber wir wissen, dass der Kaiserliche Handelsberater über alle Verdächtigungen erhaben ist«, antwortet Tasjan. »Deshalb war der Vorfall bedeutungslos. Es war nicht schwer, den Verdacht auf uns zu lenken.«
»Und warum«, fragt Bluoyal mit einem Lachen, »wollte man den Verdacht auf den höchst ehrenwerten Dyjani-Klan lenken? Weil man Euch so hebt?«
Tasjan erwidert das Lachen. »Wir sind beliebt, weil wir beim Kräftemessen mit den Hamoranern am erfolgreichsten abschneiden, und nicht nur da.«
»Beliebt oder nicht, hochverehrter und alter Freund – jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, dass Händler Anforderungen stellen könnten. Die Zeit wird uns einen größeren Gefallen als alle Taten erweisen. Rynst wird mit jedem Tag
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