Die Waffenhändler von Hamor
Einsatzbereitschaft dieser Wache festzustellen und zu prüfen – etwas, das seit Jahren nicht mehr getan wurde. Er legt die Liste beiseite und holt sich erneut die Zahlen der Soldlisten.
Er rechnet im Geiste noch einmal alles durch und legt die Berechnung dann zur Seite. Er weiß genau, dass er seine Ziele nicht erreichen wird, wenn er gute Pferde und Sättel … die gesamte Ausstattung … nicht günstiger einkaufen kann. So viele Ziele, die nur in seinem Kopf existieren. Er weiß, was er tun muss, also verschwendet er nicht viele Gedanken an die Kühnheit, die seine Aufgabe erfordert. Aber ohne diese Kühnheit sieht seine Zukunft düster aus. Und ohne Wissen auch.
Er lacht in sich hinein. Dennoch … er glaubt fest daran, dass ein Mensch die Zeiten ändern kann – auch wenn ihm noch überhaupt nicht klar ist, wie das möglich sein soll –, und auch daran, dass die Zeiten den Menschen formen. Er wird sehen, wird es sehen müssen.
Er nimmt das Chaos-Glas aus dem Wäschestück und stellt es auf das polierte Holz. Lorn weiß, dass er das Glas sinnvoll und erfolgreich einsetzen muss, um überleben und weiterkommen zu können. Es ist jedoch schwierig, jene Personen durch das Glas zu beobachten, zu denen er nur wenig Verbindung hat. So ein Chaos-Glas könnte sich auch als Kampfmittel höchst nützlich erweisen – und wenn es nur dazu dient, sehen zu können, wo die Barbaren oder andere Feinde gerade reiten.
Lorn konzentriert sich. Dieses Mal dauert es länger – viel länger als sonst, wenn er nur einzelne Personen sucht, die er bereits kennt –, bevor sich die Silberschwaden lichten und die Sicht auf eine Horde Reiter freigeben. Das Bild zeigt eine Barbarenbande. Lorn hat nur ein Problem, er hat keine Ahnung, wo sich die Barbaren aufhalten oder was ihr Ziel ist.
Nachdem er das Bild losgelassen hat, holt er tief Luft. Muss er das Glas gar dazu gebrauchen, den nordöstlichen Teil der Hügel des Endlosen Grases zu vermessen? Vielleicht sollte er auch ein Bild von Jera aufrufen?
Er konzentriert sich ein weiteres Mal – und wird belohnt mit dem Anblick einer Stadt, die von oben aussieht wie Biehl, nur dass Jera an der nördlichen Seite des Flusses Jeryna liegt. Das Brennen in Lorns Augen verwandelt sich langsam in tausend Nadelstiche und schließlich in Messer, die ihm von hinten in die Augen stechen, während er versucht, die einzelnen Stadtteile im Glas auszumachen.
Als er das Bild schließlich loslässt, pocht ein wilder Schmerz in seinem Kopf und winzige Messer durchbohren Augen und Schädel. Er sitzt da mit geschlossenen Augen – draußen wird es bereits dunkel – und massiert sich die Stirn, um das Pochen wegzureiben, das stets auf den ausgedehnten Gebrauch des Chaos-Glases folgt. Schließlich öffnet Lorn die Augen, wickelt das Glas wieder in das Wäschestück, steht auf und zündet die Lampe an. Dann nimmt er den Federhalter heraus und ein leeres Blatt Papier und beginnt zu schreiben, langsam, nachdenklich. Zuerst verfasst er einen Brief an seine Eltern und an Jerial, dann einen kürzeren an Myryan und schließlich jenen, den er am liebsten als Erstes geschrieben hätte. Aber hätte er damit angefangen, hätte er die anderen womöglich nicht mehr geschrieben.
Als er den letzten Brief fertig hat – er ist an Ryalth gerichtet –, liest er ihn noch einmal durch. Mit höchster Sorgfalt hat er die Worte gewählt, denn hier in Biehl sieht er keine Möglichkeit, die Briefe durch einen Händler seines Vertrauens zu verschicken. Deshalb muss er diese Schriftrolle über das übliche Feuerwagen-/Kuriernetz versenden.
Meine Liebste,
die Fahrt nach Biehl verlief ohne besondere Vorkommnisse. Die Ankunft erwies sich jedoch als völlig anders, als wir beide es uns jemals hätten vorstellen können. Zunächst einmal war niemand mehr da, den ich hätte ablösen können, da der vorherige Oberst, ein älterer Offizier, schon vor etwa einer Jahreszeit gestorben war. Sein allzu früher Tod hat dazu geführt, dass vieles vernachlässigt wurde und im Argen liegt – ärger als ich dachte. Die alte Stadt, die wohl eher ein größeres Städtchen ist, liegt an der Ostseite des Flusses Behla, südlich des Nordmeers … Wenn der Wind bläst, kann es sehr kalt sein …
Es scheint, als würde meine Aufgabe hier auch die Rekrutierung von jungen Lanzenkämpfern beinhalten, sodass ich anderen Außenposten wohl bald ausgebildete Männer zur Verfügung stellen kann, wie es der Major-Kommandant verlangt. Das kommt noch zu den
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