Die Waffenhändler von Hamor
Vater gestellt hat, besonders zur ersten, auf die er immer noch keine wirklich zufrieden stellende Antwort gefunden hat: Was ist es, das Cyads Existenz sichert? Andere Städte existieren auch ohne Chaos-Türme, das weiß er, und ohne Magi’i.
Andere Städte kommen ohne Kaiser oder Hafen und auch ohne den Reichtum Cyads aus. Er schnaubt. Biehl existiert mehr schlecht als recht ohne diese Dinge. Alle Städte haben Einwohner und Häuser, sonst wären sie keine Städte, aber dies sind allzu simple Antworten, sie würden seinen Vater nicht zufrieden stellen.
Die zweite Frage: Kann all die Macht der Spiegellanzenkämpfer hier in Cyad oder all die Macht der Eisenlegionen in Hamor gegen den Willen jener, die in diesen Ländern leben, die Oberhand gewinnen? Die Antwort darauf ist ebenfalls allzu simpel: Nein. Das ist so offensichtlich, dass Lorn sich fragt, warum sein Vater ihm diese Frage wohl gestellt hat. Sind jene, die Macht oder Chaos steuern, auch die Quelle der- oder desselben? Die Antwort auf die dritte Frage muss genauso deutlich nein heißen.
Doch Kien’elth ist weit davon entfernt, ein dummer oder plumper Vater und Magier zu sein. Warum hat er Lorn diese Fragen gestellt? Was soll Lorn hinter diesen Fragen erkennen? Und die letzte nicht niedergeschriebene Frage ist so allgemein gehalten, dass die Antwort beinahe alles sein könnte: Wie kann die Welt einfach und gleichzeitig kompliziert sein? Die Kompliziertheit ist einfach zu erkennen – in Menschen wie Maran und Flutak und selbst in seinem Vater. Die Einfachheit bereitet ihm jedoch Kopfzerbrechen.
Lorn hat auch noch keine Antworten gefunden, mit denen er zufrieden wäre, als er mit dem Essen fertig ist. Er wäscht Topf und Teller in einem Eimer mit Seifenwasser ab, den Daelya stehen gelassen hat, dann spült er beides mit klarem Wasser aus dem Wasserkrug nach und stellt das Geschirr zum Trocknen auf den Tisch. Er geht langsam hinaus aus dem Frühstücksraum, wo er allein gegessen hat, und zurück ins Arbeitszimmer, wo er auf das Glas blickt. Wieder konzentriert er sich.
Als die Nebelschwaden verschwinden, sieht Lorn, dass der zwielichtige Mann nun mit zwei anderen Männern in einem düsteren Raum zusammensitzt. Lorn sieht nur einen Augenblick lang zu, denn er möchte nicht zu viel Energie in das Glas verschwenden, wenn es ihm nur wenig zu sagen hat. Als das Bild verschwindet, nimmt er die grobe Karte, die er von der Straße und dem schnellsten Weg zu Flutaks Villa gezeichnet hat. Er hofft, dass Flutak allein ist, denn er weiß, dass er es sich nicht leisten kann, lange auf der Lauer zu liegen und zu warten oder gar Zeit zu vertrödeln.
Lorn hofft auch, dass die von Flutak beauftragten Mörder schon früh in der Nacht kommen werden, sodass er seine eigenen Aufgaben noch vor Tagesanbruch erledigen kann. Er hat wenig Zweifel daran, dass Flutak schnell handeln wird, noch bevor Lorn aufdecken und weitergeben kann, wie viel von den Soldgeldern abgezweigt wurde.
Lorn schüttelt den Kopf, während er darüber nachdenkt, was ihm nun bevorsteht. Wenn er nicht schnell etwas gegen Flutak und seine Mannen unternimmt, dann wird er später viel Zeit dafür aufwenden müssen, einen tödlichen Anschlag auf sich selbst zu verhindern. Womöglich scheitert er dadurch noch an seiner Aufgabe – den Posten in Biehl aus seinem erbärmlichen Zustand zu erlösen –, die ohnehin schon all seine Kräfte erfordert. Sollte Lorn jedoch scheitern und man ihm nachweisen können, dass er gehandelt hat, um seinen eigenen Tod zu verhindern, wird man ihn für unbeholfen halten; für rücksichtslos wird man ihn erachten, wenn ihm sein Vorhaben gelingt; und in beiden Fällen wird man ihn als kaltblütig einstufen.
Sein Lachen klingt heiser. Warum denken die Menschen, dass offene Rache gerecht und vertretbar ist und dass es menschlich ist und von Leidenschaft zeugt, wenn man sich rächt? Sich stumm zur Wehr zu setzen gilt jedoch als kaltblütig und rücksichtslos – auch wenn am Ende viel weniger Menschen darunter zu leiden haben. Lorn kann die Tiefe des Korruptionssumpfes schon erahnen, wenn er nur einen kurzen Blick in die Soldlisten und auf Flutaks Villa wirft, und auf die fragwürdigen Männer, mit denen sich Flutak trifft. Aber die Ankläger werden stichhaltigere Beweise fordern. Ein stärkerer Beweis wäre sicherlich Lorns Tod, aber das wird er nicht zulassen. Also muss er handeln.
Er fühlt sich zwar nicht sehr wohl mit seiner Entscheidung, aber er sieht keine andere Möglichkeit
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