Die Waffenhändler von Hamor
und steigt rasch auf. Den hölzernen Riegel trägt er noch bei sich.
Langsam und vorsichtig reitet er fort von der Villa. Weder das Glas noch seine Chaos-Sinne hatten ihm die Gegenwart der Frau verraten, er sah sie erst, als er den Buchhalter schon getötet hatte. Aber hätte er ihr das Leben geschenkt, hätte er sich damit wahrscheinlich selbst verdammt.
Er wandelt auf einem schmalen und gefährlichen Weg.
Immerhin kann er sich zugute halten, dass die Frau nicht völlig unschuldig war. Die Tatsache, dass sie wahrscheinlich die Tochter des Olivenbauers Baryat war, der zweifellos eine besondere Behandlung durch Flutak genoss, lässt darauf schließen, dass die Verabredung, Zölle umzuleiten, nicht allein Flutaks Werk war. Der üppige Luxus der Villa und die Wachen bestätigen Flutaks Korruption. Jede Frau, die an den Früchten dieser Korruption teilhat, trifft vorher eine Wahl.
Aber hat sie diese wirklich getroffen? Lorn weiß, dass seine eigenen Schwestern nur selten eine eigene Entscheidung treffen können. War es bei dieser Frau anders?
Und … welche Wahl hatte Lorn? Hätte er ihr das Leben gelassen, hätte sie wahrscheinlich Alarm geschlagen und alsbald wäre der Verdacht auf Lorn gefallen.
Vielleicht hätte es auch einen klügeren Weg gegeben, um mit Flutak fertig zu werden. Sein Vater hätte vielleicht einen gefunden, aber Lorn weiß schon lange, dass seine Stärken nicht im Intrigenspinnen liegen, sondern im Handeln. Bei all den Intrigen, die bereits gegen ihn gesponnen wurden, wäre Abwarten sein Verderben gewesen.
Wenn Flutak unschuldig gewesen wäre, hätte er kurz nach dem Treffen mit ihm – einem Spiegellanzenkämpfer-Offizier, der lediglich gelobt hat, seine Pflicht zu tun – nicht drei Schergen angeheuert.
Aber das ändert nichts an dem üblen Gefühl, das Lorn in der Magengegend verspürt. Und nichts an dem Ärger, der sich mit Wut und Bedauern paart. Ärger, weil er wieder einmal in eine Lage geraten ist, in der er nur zwischen mehreren Übeln hat wählen können, und Wut auf sich selbst, weil er die Schwierigkeiten nicht vorhergesehen hat.
Langsam reitet Lorn auf der Straße zurück zur Kaserne.
Nachdem er eine Meile in Richtung Hafen zurückgelegt hat, lässt er die Teile der Türverriegelung in einen Abwassergraben fallen. In seinem Kopf pocht es und selbst in der Dunkelheit sieht er alles doppelt.
Er hat viel mehr Chaos aus der Umgebung ziehen und es intensiver einsetzen müssen, als klug ist, und in einer Weise, die er bedauert … und auch immer bedauern wird.
XVIII
A m nächsten Morgen sitzt Lorn früh an seinem Schreibtisch – wenn auch nicht bereits in der Morgendämmerung, wie sonst so oft –, denn er hat eine lange Nacht mit schrecklichen Träumen hinter sich: Die junge Frau darin hatte ihn flehend angesehen, und ihr Gesicht hatte Myryans Züge angenommen, wahrscheinlich weil Lorn ihr wirkliches Gesicht niemals gesehen hat. Eine Zeit lang starrt er mit ausdruckslosem Gesicht zum offenen Fenster hinaus.
Er versucht gerade, das Bild der flehenden Gestalt aus seinen Gedanken zu verbannen und die Gedanken zu formulieren, die sich im Gespräch mit Neabyl, dem zweiten Oberbuchhalter, als nützlich erweisen könnten, da erscheint Helkyt in der Tür.
»Ser?«
»Ja, Helkyt?«
»Es gibt ein Problem, Ser.«
Lorn hebt die Augenbrauen. Ihm fallen viele Probleme ein, doch sie erscheinen ihm belanglos, verglichen mit den Träumen von Flutaks Mätresse. »Ja?«
»Vielleicht kein richtiges Problem, Ser, aber eine sehr merkwürdige Begebenheit.«
»Worum handelt es sich?«
»Ser, es gibt da einen Mann, sein Name ist Drakyt. Niemand weiß, wovon er lebt, aber so mancher starb schon durch eine Klinge, die ihm mitten in der Nacht in den Leib gestoßen wurde, und danach hat Drakyt Goldstücke genug gehabt, um sich gute Gewänder und das beste Bier zu kaufen.«
Lorn bedeutet Helkyt fortzufahren.
»Heute Morgen hörten die Wachen Pferde vor den Mauern, und als sie hinausgingen, um nachzusehen, standen da drei Pferde an der Westseite angebunden, ziemlich weit weg vom Tor. Eines der Pferde ist ein Rappe, den nur Drakyt reiten kann, so sagt man.« Der Haupttruppenführer hält inne und fährt erst fort, als er bemerkt, dass Lorn keine Fragen stellen will. »Da war auch ein schwarz geteertes Hanfseil, wie es die Seeleute hernehmen, es hing an der Mauer. Aber niemand hat fremde Männer in der Kaserne gesehen.«
Lorn zuckt mit den Schultern. »Vielleicht haben die Wachen sie
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