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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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schon schlecht gelaunt heim, trat in die Küche und wurde mit der Bemerkung »Aha, angesoffen« empfangen. Es war nicht genau zu eruieren, woher sie kam, aber vermutlich aus den Geruchssensoren des Kühlschranks. Ich setzte mich an den Küchentisch und sagte laut: »Wenn ich das haben möchte, könnte ich ja gleich heiraten.«
    Darauf schwiegen die Dinge, aber nach einer Weile sagte mein Stuhl: »Bei dem Übergewicht wäre eine Pearsons-Diät angebracht.«
    »Schnauze«, sagte ich. Dann holte ich einen Sechserpack aus dem Kühlschrank. Der sagte zwar nichts, weil er vielleicht glaubte, daß ich wieder Gäste hätte, aber kaum hatte ich mich hingesetzt, bemerkte der Stuhl: »Bei 86 Kilogramm Körpergewicht geben sechs kleine Bier mehr als ein Promille. Und du hast schon mindestens eines, dem Luftalkohol nach zu schließen.«
    Ich gab ihm keine Antwort. Ein Stuhl ist für mich kein Gesprächspartner. Ich rief meinen Freund Speedy an, einen Computerfreak. Er versprach mir, am nächsten Tag vorbeizuschauen. Ich verzog mich in mein unintelligentes Fernsehzimmer und schaltete meinen totalblöden Fernsehapparat ein, der sein volldebiles Programm herunternudelte. Ich füllte mich mit Bier ab und wartete darauf, daß morgen alles besser würde.
    Speedy kam am nächsten Tag. Er suchte eine Weile herum und fand dann einen schwarzen Kasten hinter der Spüle. »Das ist die Zentraleinheit«, sagte er, »der Rest ist ein Kinderspiel.«
    »Der Zugriff auf die Zentraleinheit kann zu irreparablen Schäden führen, jedenfalls erlischt jegliche Garantie«, meldete sich der Mistkübel ungefragt. Wir ignorierten ihn beide. Speedy öffnete den Kasten und ich ging einstweilen fernsehen. Eine Stunde später kam Speedy ins Fernsehzimmer, sagte »es müsse alles in Ordnung sein«, und sah sich mit mir das Bundesligaspiel an.
    Am nächsten Morgen nahm ich Speck, Eier und ein Bier aus dem Kühlschrank. »Ein Bier am Morgen ist das Beste gegen einen Kater«, sagte der Kühlschrank höflich.
    »Worauf du einen lassen kannst«, erwiderte ich unfreundlich und wußte, daß eine passende Antwort die technischen Möglichkeiten eines Kühlschranks überstieg.
    Ich braute mir einen tintenschwarzen Kaffee – »das macht munter«, sagte der Herd – und ließ mich ächzend auf meinen Stuhl sinken. »Allzu dünn ist auch nicht schön«, bemerkte der Stuhl.
    »Gut gesagt«, erwiderte ich, vertilgte mein Frühstück und machte dann ein Experiment mit dem Mistkübel: ich nahm das etwas hart gewordene, aber an sich immer noch gut eßbare Weißbrot vom Vortag und schmiß es hinein.
    »Jeden Tag verhungern 40.000 Kinder, das sollte man bedenken, wenn man Lebensmittel wegwirft«, sagte der Mistkübel, räusperte sich dann und setzte hinzu: »Die Zentraleinheit meldet, daß das Programm geändert wurde, aber auf diesen Teil hier gibt es keinen Zugriff, wenn nicht die Hardware ausgetauscht wird. Das ist im Sinne des Erfinders.«
    Ich rief Speedy an, der sagte, er habe sich so etwas schon gedacht.
    »Und was soll ich jetzt tun?«
    »Wirf keine Lebensmittel weg und gewöhn dich an den Spruch des Mistkübels.«
    »Gibt’s keine dritte Möglichkeit?«
    Speedy klang ein wenig verärgert, als er sagte: »Hör mal, ist diese Küche wirklich intelligenter als du?«
    Das frage ich mich seither, wenn ich so dasitze, in meinem Essen herumstochere und zuhöre, wie der Tisch ständig: »Komm, oh Herr, sei unser Gast« undsoweiter intoniert, solange er einen Teller auf seiner Oberfläche spürt, weil es bei Speedys Bemühungen offensichtlich auch irgendeine Fehlschaltung gegeben hat, und der Mistkübel leise, aber beharrlich meinen Namen ruft – weiß der Teufel, von wem er ihn erfahren hat.
     
    Copyright © 1991 by Kurt Bracharz

 
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Kate Wilhelm
O homo, o femina, o tempora
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    J udson Rowe starrte auf den Bildschirm, wo schwarze Linien und Zahlen und Zeichen einander über den grünen Untergrund jagten wie Fußballspieler auf einem Kunstrasen. Die letzte Gleichung erschien, und der Tanz war zu Ende. Jeder Irrtum war ausgeschlossen. Er drückte die Taste für den Drucker und gaffte weiter dumpf die Gleichung an, die die Schönheit und Eleganz der Wahrheit besaß. Als der Drucker durchgelaufen war, sammelte er seine Disketten und den Ausdruck ein, schaltete das Terminal aus und stand auf; jetzt erst merkte er, daß er steif geworden war und Hunger hatte und seine Müdigkeit die Vermutung zuließ, daß er mehrere Nächte hintereinander nicht geschlafen

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