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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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doch lange genug, um die Papiere deines Vaters durchzugehen?«
    »Ja«, sagte er und ging in die Küche zurück. »Und um mir mit dir ein paar schöne Stunden zu machen. Die Kinder freuen sich schon sehr auf dich. Und trauern schrecklich um ihren Opa. Wo, hast du gesagt, ist der Tee … ah, hier ist die Dose. Camilla hat ein schönes Bild gezeichnet, das sie mit in den Sarg legen will. Es war ziemlich rührend, sie hat gestern mehrere Stunden daran gearbeitet.«
    Terje Wetterland spülte die Glaskanne aus. Alte Teeblätter saßen in dem eingelassenen Sieb fest. Er versuchte, die größten zu entfernen. Am Ende gab er auf und rief:
    »Du kochst aber nicht oft Tee!«
    »Ist er zu alt? Hat er sein Aroma schon verloren?«
    »Aber nein. Der ist völlig in Ordnung.«
    Der Kessel pfiff. Terje Wetterland stellte die Kanne auf den Küchentisch, gab Tee in das Sieb und übergoß es mit dem kochenden Wasser. Das Sieb war so verstopft, daß das Wasser über den Rand lief, er verbrannte sich und fluchte leise.
    »Was ist los, Lieber?«
    »Nichts«, rief er und hielt den Daumen unter den Wasserhahn.
    Langsam bildete sich unten am Daumen eine Blase von der Größe eines Fünfkronenstücks. Es tat schrecklich weh.
    »Merde«, flüsterte er noch einmal und drehte sich um, um sich ein Handtuch zu nehmen.
    Der Tee war über die Tischplatte geflossen und lief jetzt über die Unterlagen, die zum Teil aus dem Ordner herausgerutscht waren. Terje Wetterland packte einen Lappen und knallte ihn auf den Tisch. Nach allen Seiten spritzte goldene Flüssigkeit. Fluchend griff er nach den Papieren und hielt sie in die Höhe, um sie vor dem sich ausbreitenden Naß zu sichern.
    »Was ist los? Was machst du da eigentlich so lange?«
    »Nichts«, murmelte er und pustete auf seine Blase. »Alles in Ordnung.«
    Die Unterlagen schienen unversehrt zu sein, abgesehen von einem hellbraunen Streifen und zwei Flecken auf dem obersten Blatt. Terje Wetterland stutzte.
    »Was ist das hier eigentlich, Mama?«
    »Was denn? Kannst du nicht herkommen, wenn du mit mir reden willst? Dieses viele Rufen ist so anstrengend.«
    Langsam, ohne von den Unterlagen aufzublicken, ging er ins Wohnzimmer.
    »Stimmt was nicht? Ist das irgendwie gefährlich?«
    Seine Mutter hatte sich nicht mehr so gut im Griff.
    »Nein. Gefährlich ist das nicht. Aber ich sollte wohl doch die Polizei anrufen.«
    »Die Polizei?«
    »Keine Sorge, Mama. Aber weißt du, das hier …«
    Er blätterte vorsichtig weiter, mit dem Gefühl, daß er das eigentlich gar nicht tun dürfte. Es ging ihn nichts an, er las schließlich auch keine fremden Briefe. Aber er mußte es tun. Er las, registrierte Namen und Daten, es fiel ihm schwer, klar zu sehen, seine Brille beschlug. Er nahm sie ab und las noch einmal.
    »Mama«, sagte er endlich. »Gehörte die Familie Stahlberg zu Papas Mandanten?«
    Jenny blieb vor der großen Pfütze stehen. Konzentriert stellte sie die Füße nebeneinander, dann sprang sie hinein. Es spritzte gewaltig. Billy T. fluchte heftig und packte seine Tochter am Oberarm. Er zog sie weiter, während das Kind heulte und nach seinem Schienbein trat.
    »Papa wird triefnaß«, jammerte er. »Das darfst du nicht.«
    »Das tut weh«, schrie das Kind. »Au!«
    Er ließ sie los und ging in die Hocke. Unter ihrer Nase hing eine Kruste von getrocknetem Rotz, und Billy T. betrachtete resigniert die immer wiederkehrende Entzündung, die wie gelber Eiter in ihren Augenwinkeln auf der Lauer lag.
    »Hör mal, mein Herzchen.«
    Er zwang sich ein Lächeln ab und streichelte ihren Arm.
    »Es tut mir leid. Aber sonst werden wir so naß. Und jetzt muß Papa mal schnell telefonieren …«
    »Nein.«
    »Doch. Ich muß nur mal eben mit Hanne reden, und dann können wir …«
    Jenny heulte los. Leute, die an den Geschäften im Markvei entlang hasteten, schauten ihn verstohlen und skeptisch an, als er Jenny hinten an ihrem Overall hochhob und sie wie eine lebende Einkaufstasche weitertrug. Erst, als er den Park am Olafs Ryes plass erreicht hatte, stellte er sie energisch wieder auf die Füße. Vor ihnen stand ein Bassin.
    »Hier«, sagte er. »Hier hast du eine Riesenpfütze. Spring rein. Und Papa muß nur ganz schnell telefonieren, dann gehen wir zu McDonald’s. Aber wenn du dich allzu sehr naß machst, geht’s gleich nach Hause. Okay?«
    Jenny kletterte in das Bassin, das sich mitten im Park befand. Die Mischung aus Schnee und Wasser, Hundekot und Papierabfällen stob bei jedem watenden Schritt in die Höhe.

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