lachte.
»Dieselbe alte Hanne, das merke ich schon. Geheimnisvoll und …«
»Bis nach dem Wochenende. Bitte, Severin. Danke.«
Hanne brach die Verbindung ab, ehe er noch etwas sagen konnte. Inzwischen hatte sie die Wohnung auf Ola Narr fast erreicht. Ein Nachbar grüßte sie im Treppenhaus, als ob sie auch hier wohnte, was ihr gänzlich fernlag. Sidensvans’ Wohnzimmer hatte etwas von einem Grab, es war ein verstaubtes Mausoleum eines vielseitig gebildeten Mannes, den niemand vermissen würde.
Hanne Wilhelmsen kannte sich mit Computern besser aus, als es bei der Polizei eigentlich erwartet wurde. Trotzdem war das, was sie jetzt tat, völlig inakzeptabel. Dafür hatten sie ihre eigenen Leute. Kompetente Spezialisten, die genau wußten, was sie taten, so daß nicht die Gefahr bestand, wichtige Beweise zu zerstören. Hanne wußte von Programmen, die Dateibestände zerstörten, sowie Unbefugte sich mehrmals falsch einloggten. Es gab andere Programme, die mögliche Beweise auf der Festplatte, die sie jetzt hochfuhr, sofort löschen würden, wenn sie nicht ein geheimes Paßwort zur Hand hätte, das beim Starten abgefragt wurde. An das alles dachte sie, als ihr Finger sich dem Einschaltknopf näherte. Sie könnte mit einem Tastendruck alles zerstören.
Der Apparat begann zu summen. Das Bild auf dem Schirm flackerte.
Plötzlich dröhnte die Microsoft-Melodie aus den Lautsprechern; sie fuhr zusammen und drehte leiser.
Er hatte seinen Computer nicht einmal abgesichert.
Knut Sidensvans hatte offenbar keine Angst gehabt. Er hatte sich von nichts und niemandem bedroht gefühlt. Der Computer war ein offenes Buch, und es gab keine Codes oder geheime Paßwörter. Hanne machte sich auf die Suche.
Es war kaum zu glauben.
Der Computer war fast leer.
In dem Ordner »Eigene Dateien« fand sie einen kurzen Text über Rhododendren und einen eingescannten Artikel über den Lebensstandard der Zuwanderer in Oslo. Sonst nichts. Sie öffnete einen Ordner nach dem anderen. Die meisten waren leer und hatten nichtssagende Bezeichnungen. In dem Ordner »Eigene Bilder« fand sie das Foto eines roten Luxuswagens.
Im Zimmer war es jetzt warm geworden. Überrascht stellte Hanne fest, daß sie noch immer ihre dicke Jacke trug. Sie streifte sie ab und legte sie vorsichtig auf den Boden, wo zwischen den vielen Stapeln aus Büchern und Zeitschriften gerade genug Platz war.
Sie öffnete Outlook Express, ohne eine Verbindung zum Netz herzustellen.
Der Posteingang enthielt sechs oder sieben Spammails und eine Nachricht von Telenor, wo es um ein Angebot für billigeres Breitband ging. Das war alles. Sie sah unter »Gesendete Nachrichten« nach. Drei uninteressante Mails. »Entwürfe«. Nichts. »Gelöschte Nachrichten«. Leer.
Sie zögerte, aber nicht lange.
Sie klickte auf »Senden/Empfangen« und ging ins Netz. Vier Sekunden darauf liefen die Nachrichten ein.
Gerichtet waren sie an
[email protected].
Aber die Absenderadresse ließ sie stutzen:
[email protected].
Der Mann hatte vier Mails an sich selbst geschickt.
Wie Nefis es bisweilen ebenfalls machte.
Hanne schwitzte, wieder dieser kalte Schweiß, der ihr in großen Tropfen über den Körper lief. Vor Durst schien ihre Zunge dick angeschwollen zu sein. Langsam, noch immer vorsichtig, um nichts umzustoßen, suchte sie sich einen Weg vom Wohnzimmer in die Küche. Der widerliche Gestank verfaulender Nahrungsmittel schlug ihr entgegen, als sie die Tür öffnete. Jemand hätte den Kühlschrank leeren, das halb gegessene und total verschimmelte Brot aus der durchsichtigen Brottrommel aus Kunststoff entfernen müssen. Sie hätten diese Wohnung schon längst durchsuchen müssen. Ordnung schaffen und dafür sorgen, daß nichts beschädigt oder zerstört wurde. Und sei es auch nur aus Respekt vor dem Toten; einem Mann, der ein so stilles Leben geführt hatte und dann im Schatten von etwas ermordet worden war, das größer war als er selbst.
Hanne ließ lange das Wasser laufen. Statt in einem der altmodischen Hängeschränke nach einem Glas zu suchen, beugte sie sich über das Waschbecken und hielt den Mund unter den Hahn.
Als sie sich aufrichtete und mit dem Handrücken über ihren Mund fuhr, fiel ihr ein, warum Nefis zwei Mailadressen hatte und sich kurz vor Feierabend oft selber Unterlagen zuschickte. Mit geschlossenen Augen konnte Hanne ihre Stimme hören, singend, mit dem leichten Akzent, der jetzt fast verschwunden war.
»Eine zusätzliche Sicherheit. Wenn die Diskette mit der