Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Datei kaputtgeht, dann liegt meine Arbeit draußen auf einem Server, und ich kann sie mir morgen früh zu Hause herunterladen.«
Knut Sidensvans hatte keine Angst vor einem Einbruch gehabt. Sondern davor, wichtige Unterlagen zu verlieren.
Hanne drehte den Wasserhahn zu. Dann ging sie zurück in Knut Sidensvans’ Wohnzimmer und öffnete die vier Dateien, die er sich selbst geschickt hatte. Sie brauchte zehn Minuten, um sie auszudrucken und zu sortieren. Eine halbe Stunde darauf hatte sie sie gelesen. Sie brauchte weitere dreißig Minuten, um zu begreifen, was sie da gelesen hatte.
Sorgfältig faltete sie die Blätter zusammen und fuhr den PC herunter. Die Unterlagen schob sie in ihren Hosenbund, ehe sie die Jacke anzog. Die Angst der letzten vierundzwanzig Stunden, die tiefe Unruhe, die sie während der letzten Tage gequält und für die sie keine Erklärung gefunden hatte, war verflogen.
Statt dessen fluchte sie. Sie stieß alle Verwünschungen aus, die ihr nur einfielen, und sie fluchte gotteslästerlich, als sie die Tür hinter sich schloß. Als sie die Treppe hinuntereilte, um so schnell wie möglich ein Taxi zu finden, fluchte sie im Takt, in dem ihre Absätze auf den Beton knallten: »Shit. Shit. Shit.«
Es gab jetzt viel zu tun. Das allerwichtigste war, mit Henrik Heinz Backe zu sprechen.
Diesmal war es eine andere Frau. Sie war jünger und machte einen weniger freundlichen Eindruck. Carl-Christian Stahlberg hätte gern gewußt, ob sie Frauen einsetzten, weil sie meinten, daß er dann kooperativer werden würde. Und ehrlicher. Er wäre gern kooperativ und ehrlich gewesen, aber es war zu schwer, ohne Lügen zu dem vorzustoßen, was keine Lüge war.
»Hermine hat also eine Waffe gekauft«, die Frau ließ nicht locker. »Wissen Sie darüber etwas?«
Ihre Stimme war hell, und sie lispelte ein wenig. Sie hatte einen Namen mit vielen Lispellauten, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Sein Gehirn schien keinen Klebstoff mehr zu besitzen, kaum etwas blieb darin haften, kein Name. Nicht einmal der des Anwalts. Der war eine bekannte Mediengröße, das wußte er immerhin. Mabelle hatte sicher einige Fäden gezogen. Mit scharfem Blick und vornübergebeugt folgte er den Verhören, aber Carl-Christian konnte sich an seinen Namen nicht mehr erinnern.
»Was?«
»Haben Sie überhaupt gehört, was ich gesagt habe?« fragte die Frau.
»Ja«, sagte er.
»War Ihnen bekannt, daß Ihre Schwester Hermine am 16. November dieses Jahres eine Waffe gekauft hat?«
»Nein.«
Er wollte ja sagen, aber sein Mund schien ihm nicht zu gehorchen. Das war vielleicht gut so. Seine Gedanken waren so chaotisch, in seinem Kopf herrschte Chaos. Da machte es nichts, wenn er einfach nur lächelte.
»Das ist wirklich nicht komisch«, sagte die Frau.
»Nein«, sagte er.
»Ich muß Ihnen ein paar Bilder von unseren Funden zeigen.«
Bilder, dachte Carl-Christian Stahlberg. Die Frau hat Bilder.
Aber die Bilder waren verbrannt. Das wußte er noch. Sie lagen als Staub und Asche im Kamin.
»Sie können durchaus … anstößig wirken. Das tut mir leid. Aber es ist wichtig …«
Er hatte alle Bilder verbrannt. Da war er sich sicher. Seinem Gehirn schien ein Stoß verpaßt worden zu sein, doch seine Gedanken schienen sich nun zusammenzufügen, in Reih und Glied, alles wurde in eine Art System gefaßt, und wieder lächelte er. Der Anwalt wirkte gereizt. Er riß die Bilder an sich, ehe die Polizistin sie auf dem Tisch ausbreiten konnte.
»Muß das denn unbedingt sein«, fragte er und hielt sie von Carl-Christian fort. »Ich begreife wirklich nicht, was es nutzen soll, daß mein Mandant gezwungen wird, sich damit zu befassen.«
Carl-Christian begriff gar nichts. Die Bilder aus dem Safe in Kampen waren verschwunden. Er hatte sie selbst vernichtet, so wie Mabelle das verlangt hatte.
»Bilder«, sagte er verständnislos.
»Ich muß Sie bitten, mir diese Bilder zurückzugeben«, sagte die Frau.
Der Anwalt gab sie widerwillig her. Carl-Christian wartete. Jetzt mußte er sich konzentrieren. Das hier war wichtig. Die Bilder von Mabelle hatte er doch verbrannt. Es gab sie nicht mehr, sie konnten nicht hier liegen, als dünner Stapel vor ihm auf dem Tisch. Er wagte nicht einmal, hinzusehen. Statt dessen schaute er auf. Sein Blick blieb an der Deckenlampe hängen.
Sein Vater konnte Kopien besessen haben. Die Fotos konnten in der Eckersbergs gate gelegen haben, in Hermanns Schreibtisch. Die Polizei hatte sie vielleicht dort gefunden.
Die Frau
Weitere Kostenlose Bücher