Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
vorsichtig. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, offenbar hatte diese Bewegung ihr weh getan.
»Eine Pistole«, murmelte sie. »Eine Pistole mit Schalldämpfer.«
»Warum waren Sie dann doch nicht bei Ihren Eltern, Hermine?«
»Die lag in einer Wohnung, die CC und Mabelle gehört. In Kampen. Da lag sie, in einem Safe.«
»Ich möchte wissen, was passiert ist, als Sie die Eckersbergs gate erreicht hatten.«
»Die Pistole gehörte CC und Mabelle. Ich hatte für sie eine Waffe gekauft, weil …«
Aus den ramponierten Augen strömten die Tränen. Ihr schmächtiger Brustkasten hob und senkte sich unter der Decke, rasch, ein lautloses Weinen erschwerte ihr das Sprechen.
»Ganz ruhig, Hermine. Versuchen Sie, sich zu beruhigen. Jetzt wird alles gut. Wenn Sie es nur schaffen, mir Ihre Geschichte zu erzählen. Versuchen Sie das doch einfach.«
»Ich war so wütend. So unbeschreiblich wütend. An dem Nachmittag hatte meine Mutter mich angerufen und erzählt, daß Vater alles umändern wollte. Daß alle anderen Abmachungen, die wir getroffen hatten, alle Versprechen, alles … ihm war das scheißegal. Mutter kam mir traurig vor, als ob sie das eigentlich nicht so wollte … So war meine Mutter. Erbärmlich. Immer wollte sie alles ausgleichen. Und mein Vater durfte entscheiden, alles. Er hat uns beherrscht, und meine Mutter hat sich damit abgefunden. Aber jetzt kam sie mir entsetzlich traurig vor. Sie … Meiner Mutter ist dieser ganze Streit wohl sehr nahe gegangen. Der zwischen Vater und CC . Aber hat sie dagegen etwas unternommen? Ha!«
Ein Hustenanfall folgte. Hanne versuchte, ihr zu helfen. Sie stützte Hermines Rücken, spürte unter ihrem Arm deren Schulterblätter, scharf im mageren Fleisch; sie hob sie im Bett hoch und beugte sie vornüber.
»Der Husten an sich ist nicht so schlimm«, sagte Hermine, als Hanne sie wieder auf die Kissen sinken ließ. »Aber ich habe so schreckliches Bauchweh.«
»Warum sind Sie nicht ins Haus gegangen, Hermine?«
»Ich glaube … jedenfalls glaube ich jetzt, daß meine Mutter sich meinen Besuch wirklich gewünscht hatte. Sie hat es nicht offen gesagt, aber warum hätte sie sonst anrufen und mir von diesem Treffen erzählen sollen, wenn sie nicht … Obwohl mein Vater und ich uns in den letzten Monaten entsetzlich gestritten hatten, war doch irgendwie ich diejenige, die …«
Ihr Lächeln brachte einen tiefen Sprung in ihrer Unterlippe zum Bluten.
»Ich war immer die Vermittlerin, Papas kleiner Augenstern. So wirkte das jedenfalls auf andere.«
Ihr Lächeln wurde zu einer ironischen Grimasse.
»Vielleicht dachte Mutter, ich könnte das alles verhindern. Sie erwarteten einen Anwalt mit Papieren, um die Reederei auf Preben zu überschreiben. Mein Vater hatte den ganzen Konflikt mit CC satt, sagte Mutter. Er wollte sich nicht mehr unter Druck setzen lassen. Er hatte so viel gegen CC in der Hand, daß er nicht glaubte, daß es noch zu einem Prozeß kommen würde. Und er hatte sich einen neuen Anwalt zugelegt, sagte meine Mutter. Einen, der sonst nichts mit der Reederei zu tun hatte. Mein Vater war wütend auf seine festen Anwälte, er fand, die nähmen zuviel Rücksicht auf CC s Interessen. Ich hatte fast den Eindruck, daß sie an diesem Abend eine Art Fest veranstalten wollten. An diesem grauenhaften Abend. Mutter kam mir eigentlich ziemlich verängstigt vor. Sie war so …«
Die Tränen strömten immer haltloser, und Hermine kniff den Mund fest zusammen, wie um das Weinen einzusperren.
»Ich war einfach so unbeschreiblich zugedröhnt. Und ich hatte alles einfach verdammt satt. Ich hatte meinen Vater satt, seine ganzen Tricks, daß er immer Geld und Erbschaft benutzte, um uns allesamt bei der Stange zu halten, immer genau da, wo er uns haben wollte. Ich hatte meine Mutter satt, die mich immer heimlich anrief, als erwartete sie von mir, daß ich ihn daran hindern würde, die Familie zu zerstören. Er hatte früher im Herbst ein Testament aufgesetzt, das muß im August gewesen sein. Oder im September. Meine Mutter hatte mir davon erzählt. Er hatte es selbst aufgesetzt, weil er seine Firmenanwälte satt hatte, die immer herumschrien, er müsse CC gegenüber fair bleiben. Mutter sagte, CC sei aus allem hinausgedrängt worden. Ich habe dieses Testament nie gesehen, und ich wollte CC und Mabelle auch nichts davon erzählen. Es war so traurig, es war … einfach gemein. Vater hatte ihn ganz einfach enterbt. Und da fing ich an, das mit den Bildern zu planen. Mit solchen
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