Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
wenn … Da war es schon besser, dafür zu sorgen, daß ich den Mund hielt. Eigentlich wurde ich bestochen. Ganz einfach. So blöd, wie ich war … So blöd, wie ich bin …«
Ihre Faust traf mit dumpfem Geräusch auf das Kissen auf.
»Ich habe einfach alles angenommen und den Dingen ihren Lauf gelassen.«
»Bis jetzt.«
»Bis jetzt. Aber als ich im Herbst von diesem neuen Testament erfuhr, fand ich einfach, daß ich etwas tun müßte. Sozusagen Verantwortung übernehmen.«
Sie lachte heiser.
»Also baute ich eine Kamera ein. In Alfreds Schlafzimmer. Ich hatte immer einen Schlüssel zu seiner Wohnung. Die Bilder wurden gut. Damit ging ich zu meinem Vater. Sagte, ich würde sie in Umlauf bringen. Er war wütend. Außer sich vor Zorn. Auf mich! Auf mich, nicht auf Alfred.«
Es schien ihr leichter zu fallen, ihre Geschichte im Telegrammstil zu erzählen.
»Ich ließ mich nicht beirren. Und dann fing er an zu betteln. Und zu flehen. Eigentlich war das schön. Ich konnte meinen Willen durchsetzen. Er bekam die Bilder. Ich ein neues Testament. Das gerecht war.«
Zum ersten Mal schien sich ihr Gesicht zu öffnen, sie lächelte.
»Also ist bei der ganzen Sache ja doch etwas herausgekommen. Es liegt bei mir zu Hause. Und Abzüge von den Fotos hab ich auch. Mein blöder Vater hatte ja nicht die Herausgabe des Films verlangt.«
Hanne schwieg. Sie verschwieg, daß das Testament gefunden worden war. Daß es ungültig war. Hermines Opfer war umsonst gewesen, und irgendwann würde sie das erfahren müssen. Irgendwann, nicht jetzt.
»Schön«, sagte Hanne.
»Ich brauche Wasser«, sagte Hermine.
»Und ich muß ganz schrecklich dringend aufs Klo.«
»Da ist das Badezimmer.«
»Es dauert nur einen Moment.«
Hermine schaute ihr hinterher. Sie fühlte sich erleichtert. Langsam hob sie die rechte Hand ans Gesicht und zog den Verband von der Wunde, die sie sich beim Zerbrechen eines Whiskyglases zugezogen hatte. Die Wunde heilte jetzt langsam. Unter dem Pflaster war die Haut kreideweiß; hell und feucht und gewellt. Aber die Wunde hatte sich geschlossen. Es tat inzwischen nicht mehr so weh, den Daumen zu bewegen. Die zukünftige Narbe war schon als zartroter Strich zu sehen. Er bekam eine leichte Rundung, wenn Hermine die Finger spreizte.
»Es scheint so lange her zu sein«, sagte sie, als Hanne zurückkam.
»Was denn?«
»Ich hatte mich geschnitten. Ich war betrunken. Und zugedröhnt. Vor einer Woche. Ehe ich im Krankenhaus gelandet bin. Das letzte Mal, meine ich. Es scheint schon schrecklich lange her zu sein. Daß ich die Pistole mitgenommen habe … ich weiß gar nicht, warum ich das getan habe. Ich war voll auf Speed. Wollte ihnen wohl angst machen, stell ich mir vor. Ich war in meinem Leben noch nicht so wütend gewesen. Es gab eine Waffe, und ich nahm sie ganz einfach mit. Wenn mein Vater sich von meinen anderen Drohungen nicht beeindrucken ließ, sollte er sich jetzt wenigstens vor mir fürchten. Ich weiß nicht …«
»Dachten Sie wirklich, Ihr Vater würde sich von einer Schußwaffe beeindrucken lassen?«
»Ich konnte überhaupt nicht denken. Echt nicht. Impulshandlung, heißt das nicht so? Ich war in der Wohnung in Kampen, als meine Mutter mich auf dem Handy anrief … Mabelle hat da eine Wohnung, wissen Sie. Und die kann ich benutzen, für … so allerlei. CC ist das egal. Und es gibt da einen Safe, den hat Mabelle vor langer Zeit eingebaut. Schön praktisch, so was. Darin lag die Pistole.«
Ihre Augen fielen wieder zu.
»Ich bin so müde«, murmelte sie. »So schrecklich müde. Und ich begreife nicht so ganz … ich habe mir nie überlegt … ich habe eine Waffe besorgt, weil Mabelle das wollte. Sie glaubte, sie brauchten eine, um sich vor der Familie beschützen zu können. Und nach allem, was mein Vater so anstellte, da … Aber warum lag die in der Wohnung in Kampen? Das habe ich mir nie überlegt …«
»Glaubte Mabelle wirklich, es könne notwendig werden, sich mit Schußwaffen zu verteidigen? Gegen Hermann Stahlberg?«
Hanne fühlte sich zum ersten Mal in diesem Gespräch provoziert. So verkorkst, wie diese Familie war, hatte Hermines Bericht bisher durchaus glaubwürdig geklungen. Und sogar logisch, wenn auch auf eine absurde Weise. Weil alles zusammenpaßte. Aber dieses letzte klang einfach himmelschreiend verlogen.
Hermine log vielleicht nicht bewußt, sie ging davon aus, was sie selbst wußte und was ihr erzählt worden war, aber die Geschichte stimmte nicht. Nicht an diesem Punkt. Die
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