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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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gegangen war. Alexander ist ein großer Junge, dachte Hanne, der Anspruch darauf hat, daß seine Privatsphäre und sein Schlaf nicht von lesbischen Tanten gestört werden, die er nicht einmal kennt.
    Langsam ging sie zum Bett. Vorsichtig hob sie die Decke hoch und legte sie gerade, sie deckte ihn zu und schob ihm locker die Kanten unter die Füße. Den baumelnden, bloßen Arm ließ sie hängen.
    »So«, sagte sie leise und schob Nefis vorsichtig zur Seite, ehe sie die Tür schloß.
    »Ich muß ins Bett«, sagte sie. »Morgen ist ein langer Tag.«
    Nefis schlich hinter ihr her.
    »Wirst du wohl jemals richtig Ferien machen können?« fragte sie und gab selbst die Antwort. »Natürlich nicht.«
    »Ich hatte im Sommer eine Woche frei.«
    Hanne stapfte ins Badezimmer und fing an, sich die Zähne zu putzen.
    »Fünf Tage«, korrigierte Nefis.
    »Wollen wir uns jetzt streiten?«
    »Nein. Wie war das?«
    »Wunderbar. Ungewohnt. Seltsam.«
    Hanne lächelte mit Zahnpasta im Mund.
    »Ich meine nicht die fünf Tage«, sagte Nefis und legte sich, ohne sich auszuziehen, auf das aufgeschlagene Bett. »Ich meine, rausgeekelt zu werden.«
    »Es ist zu spät, Nefis. Ich kann jetzt nicht darüber reden. Ich habe überlebt.«
    Nefis lächelte und nahm die Fernbedienung vom Nachttisch. Hanne machte sich fertig, trat nackt mitten ins Zimmer und breitete die Arme aus.
    »Willst du nicht ins Bett gehen?«
    »Doch. Aber zuerst mußt du mir ein wenig darüber erzählen, wie das war.«
    »Nein. Das bring ich jetzt einfach nicht.«
    »Dann will ich eine Geschichte.«
    Über den großen LCD -Schirm an der Wand, zwei Meter vom Fußende entfernt, flackerte wild und heftig ein Madonna-Video. Nefis nahm Hannes Hand und zog sie an sich.
    »Eine Geschichte, ehe wir einschlafen.«
    Ab und zu hatte Hanne das Gefühl, daß Nefis sie für minderbemittelt hielt. Hanne hatte schon längst begriffen, daß die kleinen Geschichten, die Nefis zum Ausgleich dafür verlangte, daß sie über die eigentlichen Dinge schwieg, Bruchstücke waren, aus denen sie ein Bild von Hannes Kindheit zusammensetzte.
    »Die wird aber nicht lang«, sagte Hanne.
    »Ein bißchen lang, bitte …«
    Nefis zog sie ins Bett und drehte sie auf den Rücken.
    »Nein«, sagte Hanne lächelnd; Madonna tanzte auf dem großen Bildschirm für taube Ohren einen spanischen Tanz.
    »Doch!«
    »Ich muß dich zuerst etwas anderes fragen.«
    Nefis lag jetzt halb über ihr; ein willkommenes Gewicht zwischen Venushügel und Zwerchfell.
    »Warte«, sagte Hanne. »Dieser Hund …«
    Nefis’ Mund schmeckte nach Oliven und Petersilie.
    »Warte«, sagte Hanne und versuchte, sich wegzudrehen; sie lächelte und schlug nach den Händen, die ihr über die Oberschenkel strichen. »Dieser Köter, über den ihr im Herbst gesprochen habt, als ihr beschlossen habt, dieses alberne Müllhäuschen zu bauen, was ist das für ein Tier?«
    Nefis lag jetzt ganz auf ihr, vollständig bekleidet; sie hielt Hannes Arme fest. Ihre Blusenknöpfe kratzten über Hannes bloßen Bauch. Ihre Zunge spielte mit Hannes Ohrläppchen.
    »Hör doch zu, Nefis! Dieser Hund … ich will nur wissen, ob der schon lange hier lebt. Gehört er irgendwem?«
    Nefis setzte sich plötzlich auf. Ihre Haare hingen dunkel in ihr Gesicht. Im Lichtgeflimmer des Bildschirms konnte Hanne ihre Züge fast nicht erkennen.
    »Ein streunender Hund. Angeblich ist der schon lange hier, seit vielen Jahren. Er macht vielen angst, vor allem den Kindern. Und er wühlt im Müll. Einige wollten schon das Gesundheitshaus anrufen.«
    »Das Gesundheitsamt«, sagte Hanne lächelnd. »Alles klar. Willst du dich nicht ausziehen?«
    »Ich dachte, du könntest das übernehmen«, sagte Nefis und küßte sie wieder.
    Hanne knöpfte ihr die Bluse auf.
    Sie war ein weiteres Mal davongekommen.
    Sie brauchte nicht davon zu erzählen, wie sie fünf Jahre alt war und bei Licht schlafen wollte.
    In ihrem Schrank wimmelte es nur so von blutsaugerischen Fledermäusen, glaubte sie, und die würden nur dort eingesperrt bleiben, wenn die ganze Nacht hindurch das Licht brannte. Als sie aufwachte, in einem dunklen Zimmer und zu einem deutlichen, beängstigenden Rascheln aus dem Eckschrank, wagte sie kaum, die Hand zu heben, um die Nachttischlampe einzuschalten. Die Birne war herausgedreht worden. Auch die Deckenlampe ging nicht an. Ihr Vater machte es sich fortan zur Gewohnheit, Hannes Zimmer abends stets in Dunkelheit zu tauchen. Erst ein Jahr später erklärte Hanne beim Abendessen, sie

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