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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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nichts auflöst? Und daß alles angenehmer wird? Für uns oder für sie?«
    »Na ja …«
    Erik fuhr sich durch die Haare, die jetzt fast schon zu lang waren. Er erhob sich schwerfällig. Als er das Büro verließ, drehte er sich noch einmal um und zögerte einen Moment, ehe er leise, mit einer Innigkeit, die seinem schlampigen Aussehen widersprach, hinzufügte:
    »Ich fühle mit dir, Annmari. Ich drücke die Daumen, daß du diesen Fall in den Griff bekommst. Greif durch, scheiß auf die Presse. Die haben es auf dich abgesehen, egal, was du unternimmst. Und wir werden Hermine für dich finden. Gib uns einen Tag, und wir servieren dir ihren Kopf auf einem silbernen Tablett.«
    »Versprochen?«
    »Garantiert. Tot oder lebendig.«
    Dann gähnte er ausgiebig und ging.
    Hanne beschloß, zu Fuß zu gehen, obwohl sie fast eine Stunde brauchte, um von Gamlebyen nach Frogner zu gelangen. Außerdem machte sie einen Umweg. Billy T. hatte recht. Als sie am Morgen in den Spiegel geschaut hatte, hatte sie sich eingestehen müssen, daß das Fett sich nicht mehr an denselben Stellen ablagerte wie in früheren schlaffen Zeiten. Und es war außerdem jetzt viel schwieriger, es wieder loszuwerden.
    Sie durchquerte zuerst die von Zuwanderern bewohnte Nachbarschaft des Polizeigebäudes und steuerte dann den Mittelalterpark an. Jetzt lag der Wasserspiegel vereist und grau vor ihr, und die freigelegten Ruinen verschwammen fast mit Nebel und schmutzigem Schnee. Hanne hatte nasse Füße und lief jetzt schneller, um nicht zu sehr zu frieren. In Bjørvika, wo das seit Ewigkeiten geplante Opernhaus wohl niemals aufragen würde, war kaum Verkehr. Sie näherte sich dem Jernbanetorg. Bars und Kneipen waren geschlossen und hatten die Gitter vor den Fenstern heruntergelassen. Nur auf der »Platte«, einer mit Müll zugeschütteten Stelle im Südwesten des Hauptbahnhofs, liefen die Geschäfte wie immer. Diese armselige Verkehrsinsel war die Umsatzzentrale für Oslos Straßenjunkies. Drogensüchtige und klapperdürre, zu grell geschminkte Teenies tauschten Waren und Geld oder verabredeten Dienstleistungen, während der eine oder andere Zugreisende erschrocken herüberblickte und dann schnell weiterging. Hanne kannte einige der Elendsgestalten auf der Platte und schlug eilig den Umweg über Karl Johan ein. Vom Egertorg konnte sie die Umrisse des Schlosses bereits undeutlich sehen. Die Lampen in den Linden an der Hauptstraße hatten Heiligenscheine aus feuchtem Nebel, eine Allee vage, schwindender Lichter. Hanne blieb vor dem Buchladen Tanum stehen, um sich das Schaufenster anzusehen. Sie hatte Oslo noch nie so still erlebt. Sie durchquerte den Schloßpark, ohne auch nur einem einzigen Menschen zu begegnen.
    Bald würde sie zu Hause sein. Die Straßen wurden breiter. Die Häuser wirkten stattlicher und zogen sich mehr von den Bürgersteigen zurück. In diesem Teil der Stadt nahmen die Weihnachtsfeierlichkeiten zurückhaltendere Formen an. Die Lichter waren nicht so grell und bunt wie in Grønland, die Tannenzweige in den Kränzen an den Türen waren echt.
    Sie versuchte mühsam, zwischen ihrem Handschuh und dem etwas zu engen Ärmel einen Blick auf ihre Armbanduhr zu werfen.
    Zehn nach fünf. Jetzt war es wohl überstanden. Hermine, Mabelle und Carl-Christian waren festgenommen worden und wurden nun im Polizeigebäude getrennt voneinander vernommen. Hanne mußte nicht dabei sein. Wenn alles erwartungsgemäß verlief, würden die drei lange in Untersuchungshaft sitzen. Wochenlang vermutlich, vielleicht bis zur Hauptverhandlung, und das erste Verhör war ohnehin vor allem eine Drohgebärde. Die drei sollten die Angst davor kennenlernen, entlarvt, gefaßt und eingesperrt zu werden.
    Sie selbst sollte Carl-Christian am nächsten Morgen um zehn verhören. Sie hoffte darauf, daß es in der ganzen Stadt nicht einen einzigen Anwalt gäbe, der bereit wäre, zu Weihnachten zehn Stunden im Polizeigebäude zu verbringen. Doch so, wie sich die Verhältnisse bei Oslos Strafrechtsexperten entwickelt hatten, standen sie vermutlich Schlange. Sie schienen zu allem bereit zu sein, wenn es ihnen fünfzehn Sekunden im Fernsehen einbringen konnte. Und hier konnte es durchaus noch sehr viel mehr einbringen. Der Fall Stahlberg konnte die Eintrittskarte zum Ruhm sein, wenn auch nicht unbedingt zur Ehre. Hanne ertappte sich dabei, wie sie in Gedanken eine Wunschliste aufstellte; eine Aufstellung von integren Anwälten, die bereit waren, zum Besten ihrer Mandanten mit der Polizei

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