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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Werkzeug, um eine zweckmäßige Harmonie mit der Umgebung aufrechtzuerhalten.
    Die Lüge, die er jetzt auftischen sollte, war jedoch von anderem Kaliber. Sie hatte keinen Anfang und auf keinen Fall ein Ende. Sie war eine waschechte Lüge, fiktiv und so konstruiert, daß er einfach keine Ahnung hatte, wie er anfangen sollte. Immer, wenn die Polizistin eine Frage stellte, öffnete er den Mund zu einer Antwort. Er wollte etwas sagen. Er wollte zuverlässig wirken, glaubwürdig. Er wollte diese dunkelhaarige Frau mit der etwas zu engen Jacke, den auffälligen Stiefeln und den gefährlichen Augen zufriedenstellen. Er wollte sie auf seine Seite ziehen. Aber die Lüge war zu groß. Carl-Christian war nicht erwachsen genug für seine eigene Geschichte, und deshalb klappte er nach wenigen, unzusammenhängenden Worten den Mund immer wieder zu.
    »Sie haben natürlich das Recht, die Aussage zu verweigern«, sagte Hanne Wilhelmsen. »Aber es wäre doch von Vorteil, wenn Sie uns das mitteilen würden. Damit wir keine Zeit vergeuden.«
    Plötzlich ging ihm auf, daß sie gut roch. Er spürte den Hauch, der zu ihm herüberwehte, fast wie eine leichte Berührung seines Gesichts, fast physisch, er schloß die Augen und spürte einen schweren Duft, der ihn an etwas erinnerte, das fast vorüber war. Er lächelte und atmete zum ersten Mal seit fünfzehn Stunden tief durch.
    »Türkisch«, sagte Hanne Wilhelmsen und erwiderte sein Lächeln, jetzt konnte er sich an ihren Namen erinnern, endlich. »Ich habe eine … Freundin aus der Türkei, die dieses Parfüm selbst herstellt. Ich habe keine Ahnung, woraus es besteht, aber mir gefällt es.«
    Dann lachte sie, ein wenig verlegen, als seien sie zwei Fremde, die wider Willen bei einem Essen zusammensitzen müssen und endlich Gesprächsstoff gefunden haben.
    »Mir auch«, sagte Carl-Christian. »Es riecht nach Herbst.«
    »Herbst?«
    Jetzt lachte sie wieder, legte den Kopf schräg und musterte ihn.
    »Ich muß Sie noch einmal fragen«, sagte sie leise. »Sind Sie ganz sicher, daß Sie keinen Anwalt wollen?«
    Er nickte zögernd. Er wußte nicht so recht. Er wünschte sich vor allem, daß das hier ein Ende nahm. Daß alles sich als Scherz erwies, als geschmackloser Witz, der zu weit gegangen war und der bald aufgedeckt würde, wenn irgendwer mit Pappnase und Luftballons erschien. Ein Narrenspiel, das im Fernsehen gesendet würde, damit die Leute darüber lachten, wie blöd er aussah, wie leicht es gewesen war, ihn an der Nase herumzuführen. Das hätte er ertragen können. Er hätte über sich gelacht, sich vielleicht auf die Schenkel geklopft, ein wenig geflucht und den Moderator fröhlich zur Rede gestellt, ehe alles vorbei gewesen wäre, denn natürlich konnte Carl-Christian auch einen handfesten Scherz vertragen.
    Ein Anwalt würde alles nur größer machen. Wahrer.
    »Sie sollten sich wirklich einen Anwalt nehmen.«
    Jetzt beugte sie sich zu ihm vor. Ihr Tonbandgerät war ausgeschaltet. Es gab jetzt nur noch sie und ihn, auch vom Gang her war nichts mehr zu hören. Carl-Christian versuchte zu denken, versuchte, dorthin zurückzugelangen, wo er hingehörte.
    Er hatte schrecklichen Durst, und er hätte alles dafür gegeben, zu erfahren, wie es Mabelle ging.
    Mabelle machte eigentlich einen guten Eindruck. Erik Henriksen fand, sie könnte richtig attraktiv aussehen, wären ihre Haare nicht ein wenig zu stark gebleicht und ihr Gesicht ein wenig zu stark geschminkt gewesen. Ihre Augen hafteten einen Moment zu lange an seinen, als halte sie einen festen, unerschütterlichen Blick für den Schlüssel zur Glaubwürdigkeit. Statt dessen wirkte das Ganze wie ein fehlplazierter Flirtversuch. Erik begriff nicht so recht, wann und wo sie sich dermaßen zurechtgemacht hatte. Sie schien frisch aus dem Schönheitssalon zu kommen und nicht aus der ungemütlichen Arrestzelle, wo sie die Nacht verbracht hatte.
    Mabelle verfügte über ein gewaltiges Register an Ausdrucksformen. Das stand immerhin fest. Sogar ihr Anwalt wirkte ein wenig erschöpft von den Schwingungen zwischen Flehen und Wut, Weinen und Ungläubigkeit, resigniertem Lachen und aufgesetzter Gleichgültigkeit allem gegenüber, was jetzt passieren könnte. Ihr Leben war ja ohnehin ruiniert, dafür hatte dieser grausame Irrtum der Polizei gesorgt.
    Mabelle hatte sich natürlich einen Anwalt genommen. Bis auf weiteres hatte sie sich mit ihrem festen Winkeladvokaten zufriedengegeben, einem älteren Wirtschaftsfachmann und Sozius in einer von Oslos

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