Die Wahrheit des Alligators
wollte, die die Methode stützen könnten. Ich ließ mir von Ferrini die Kopien der Veröffentlichungen geben, die er konsultiert hatte, und auch die wurden bei Gericht deponiert. Wie üblich bekam auch der Sachverständige der Verteidigung eine Kopie davon, und nach ein paar Tagen kam er in mein Büro und wies mich darauf hin, daß die von meinem Mitarbeiter verwendete fotografische Technik nicht mit der vom Journal of Forensic Sciences beschriebenen übereinstimmte. Ich ließ Ferrini kommen und verlangte Erklärungen. Er sagte mir, er hätte, nachdem er das chemische Reagenzmittel zubereitet hatte, das Labor verlassen und alles einem technischen Assistenten übertragen. das ist üblich so. Auf Befragen erklärte mir dieser, er habe eine etwas höhere Dosis Luminol genommen und die Negative extrem lang belichtet, damit die Fotos ja gut gelingen würden. Kurz, ein Schlamassel erster Güte, der meinen Ruf aufs Spiel setzte. Mit dem Sachverständigen der Verteidigung löste ich das Problem, indem ich ihn darauf hinwies, daß er dem Laborprotokoll zufolge bei der Durchführung des Tests hätte anwesend sein müssen, dabei wußten wir beide genau, daß er ganz woanders gewesen war, bei einer Autopsie nämlich. aber das ist üblich so. Er verstand den Wink und machte weiter keine Scherereien. Da die Sache aber doch sehr heikel war, brauchte ich dringend einen Rat. Ich wandte mich an einen guten Freund von mir, Rechtsanwalt Alvise Sartori, der in diesem Prozeß Verteidiger war. Er hörte mich sehr aufmerksam an.
›Lieber Emilioc, sagte er, ›wir kennen uns nun schon lange, und im Verlauf unserer Freundschaft haben wir uns schätzen gelernt. Glaub mir, wenn ich dir sage, daß du nichts zu befürchten hast und daß man die Dinge besser so beläßt, wie sie sind. Ich versichere dir bei meiner Ehre, dieser Magagnin ist schuldig und muß verurteilt werden. Ich garantiere dir, ich sag’s noch mal, ich garantiere dir, bei Gericht wird es keine Probleme geben..‹ An diesem Punkt, erinnere ich mich, stand Sartori auf und versetzte mir einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. ›Und dannc, schloß er, ›wird die Verteidigung dafür sorgen, daß Professor Ferrini, dein langjähriger Schüler, zum Sachverständigen der Verteidigung ernannt wird, und er wird dein Gutachten natürlich stützen.‹ Ein paar Tage später trafen wir uns wie gewöhnlich bei der Zusammenkunft der Ritter vom Orden der Heiligen Konstanze, dem wir beide angehören. Sartori kam noch einmal auf die Sache zu sprechen und bat mich um eine Unterredung am folgenden Tag. Ich ging in seine Kanzlei, und dort versicherte er mir ohne Umschweife, daß er sowie die Familie des Opfers nach Abschluß des Prozesses nicht verfehlen würden, mir ihre Dankbarkeit zu erweisen. Ich sei von zu vielen Konkurrenten umgeben, die meine Karriere behinderten, ich bräuchte dringend Unterstützung. Da brachte Sartori den Namen Carlo Ventura ins Spiel, den zweiten Ehemann der Ermordeten, der, so sagte er, alle meine Probleme lösen konnte. Ich fühlte mich geschmeichelt. Ich sagte ihm, wie erleichtert und dankbar ich war über die angebotene Unterstützung. Der Prozeß lief, wie er laufen mußte, und von dem Zeitpunkt an wurde ich in immer angesehenere Stellungen befördert. Um mögliche Rückschläge zu vermeiden, versuchte ich, auch Ferrini und den Sachverständigen der Verteidigung an meinem Aufstieg teilhaben zu lassen. Alles ging gut bis vor drei Jahren, als ich zum Direktor des Zentrums für Kriminologische Forschung ernannt wurde. Sofort nach meiner Amtseinsetzung kam Piera Belli auf mich zu. Sie gab mir zu verstehen, daß sie etwas über dieses verdammte Gutachten wußte. Ich erinnerte mich sofort, daß sie in dem Prozeß Geschworene gewesen war, aber ich dachte, sie könnte nicht so gut informiert sein, und machte mir keine Sorgen. Wenn schon hauptamtliche Richter nichts von Gutachten verstehen, wieso sollten es dann Geschworene … aber offenbar hatte ich mich getäuscht. Eines Tages bekam ich per Post die Fotokopie eines Gegengutachtens zu dem unseren, verfaßt von einem großen englischen Hämatologen, Professor Nigel Cook. Anbei lag ein Brief von der Belli, die mich auf ein Plauderstündchen zu sich nach Hause einlud. Ich ging hin, und sie benahm sich sofort in der widerwärtigsten Manier. In diesen drei Jahren hat sie mit meinem Leben gespielt, mit meinem Körper und meinem Geist. Ich bin sicher, wenn sie genug gehabt hätte, hätte sie mich vernichtet. sie zu
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