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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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Da täuschst du dich. Meiner Ansicht nach ist der wahre Grund, daß Sartori und Ventura wußten, daß Alberto Magagnin unschuldig war.«
    »Willst du damit sagen, daß sie in dieses Verbrechen verwickelt sind?«
    »Genau, Sherlock Holmes.«
    Noch drei Mal hörten wir uns diesen Teil der Aufnahme an. Dann legte ich wieder die Blues-Kassette ein und sagte: »Sieht ganz so aus, als hättest du recht. An diesem Punkt würde ich mich nicht wundern, wenn Artoni sie schon verständigt hätte und sie gebeten hätte, ihm zu helfen, damit seine Karriere und sein Leben nicht den Bach runtergehen. Weißt du, was ich dir sage. morgen geht’s von vorne los, Watson.«

    In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich wälzte mich im Bett herum, mehrmals stand ich auf, um ein Gläschen zu trinken. Im Morgengrauen sah ich auf die Uhr: Samstag, der 15. Juli. Achtzehn Tage seit Beginn der Ermittlungen und noch kein Ende in Sicht. Im Gegenteil, es sah so aus, als sollte das nie ein Ende nehmen. Jedesmal, wenn man zu einer Wahrheit vordrang, entdeckte man sofort, daß sich dahinter eine andere verbarg. Wie eine russische Puppe.
    Als erstes mußten wir die Aufzeichnung Giovanni Galderisi in die Hände spielen. Der Skandal würde Artoni erledigen und jeden Versuch, seine einflußreichen Beziehungen spielen zu lassen, zunichte machen.
    Wir fuhren zeitig los, und in der Nähe von Padua rief ich den Journalisten an.
    »Dottor Galderisi, guten Tag. Im Lauf des Vormittags schicke ich Ihnen etwas.«
    »Heute nicht, ich habe keine Zeit, ich muß vor Ort. Der Chef will sofort Informationen aus erster Hand.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Ja, wissen Sie das nicht? Haben Sie’s heute morgen nicht im Radio gehört? Professor Emilio Artoni, der Direktor des Instituts für Kriminologische Forschung, hat sich in seinem Büro erhängt.«
    »Das konnten wir nicht vorhersehen«, kommentierte Benjamino.
    »Allerdings, wenn man’s recht bedenkt … die Vermutung lag nicht so fern: Er hatte begriffen, daß er am Ende war.«
    »Er auch, wie Magagnin. Ein Mord, zwei Selbstmorde … nicht schlecht für eine Geschichte, die mit der Suche nach einem entflohenen Häftling begann. Aber wir müssen unbedingt herausfinden, ob Artoni eine Notiz, einen Brief hinterlassen hat. Wenn er unseren Besuch publik gemacht hat, müssen wir das Band vernichten.«
    Wir gingen in die übliche Bar und verfolgten sämtliche Nachrichtensendungen des Tages. Die Notiz hatte noch einmal das Interesse der nationalen Medien geweckt: Sie wurde an zweiter Stelle gebracht, gleich nach der neuesten Regierungskrise. Nach den ersten Erkenntnissen hatte sich Professor Emilio Artoni mit der Krawatte am Leuchter seines Büros erhängt, kurz nach 21 Uhr des vorherigen Abends.
    Die Leiche war vom Hausmeister gefunden worden, den die Ehefrau des Gerichtsmediziners alarmiert hatte, als ihr Mann nicht zum Abendessen erschienen war. Die verschiedenen Reporter beschrieben Artoni als einen Mann, der seine wissenschaftliche Arbeit ganz dem Kampf gegen das Böse geweiht hatte und Mitglied in renommierten Vereinigungen und internationalen Stiftungen war. Unerklärlich die Motive der Tat: Der Tote hatte keinen Abschiedsbrief hinterlassen, wie es sonst in solchen Fällen üblich ist.
    Professor Ferrini unterdessen wiederholte unter Tränen immer wieder, er könne es einfach nicht fassen. Artonis Frau, eine unscheinbare, grauhaarige Person, zeigte sich sehr würdevoll. In ruhigem Ton beantwortete sie die zahlreichen Fragen und vertrat die Meinung, die Gründe für die Tat seien in der unvorstellbaren Menge an Arbeit zu suchen, die ihren Mann völlig überfordert habe. Rechtsanwalt Sartori schließlich, der in seiner Eigenschaft als Freund des Opfers befragt wurde, bestätigte, daß er ihn in den letzten Monaten eher deprimiert erlebt habe.
    Ein attraktiver Mann, dieser Alvise Sartori: Ungefähr 55, etwas übergewichtig, mit dichtem, schwarzem Haar, wahrscheinlich gefärbt. Zwei boshafte Äuglein in einem blühenden, rosigen Gesicht.
    »Die reinste Klapperschlange«, bemerkte Rossini. »Ja, als Typ wirkt er eher gefährlich. Er spielt die Rolle des trauernden Freundes, aber meiner Meinung nach ist er besorgt, man könne zu gründlich in Artonis Leben nachforschen.«
    »Wir können von Glück sagen, daß er nichts Schriftliches hinterlassen hat.«
    »Das ist nicht gesagt. Wir sind gegen halb neun weggegangen, und er hat erst dreißig, vierzig Minuten später das Zeitliche gesegnet. Er hatte alle Zeit der Welt

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