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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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Zeit vergeht so schnell. Wenn man sich liebt, vergeht die Zeit wie im Flug.«
    »Verlassen Sie mich nicht, Harry. Ich will nicht, dass Martha’s Vineyard zu unserer Abschiedsreise wird.«
    »Nola, ich habe kein Geld mehr. Ich kann nicht länger hierbleiben.«
    »Nein, Harry, ich flehe Sie an! Wir finden bestimmt eine Lösung. Lieben Sie mich?«
    »Ja.«
    »Wenn wir uns lieben, finden wir auch eine Lösung. Menschen, die sich lieben, finden immer einen Weg. Versprechen Sie mir wenigstens, darüber nachzudenken.«
    »Ich verspreche es dir.«
    Eine Woche später, am Montag, den 28. Juli 1975, waren sie in aller Frühe losgefahren, ohne noch einmal über die Abreise gesprochen zu haben, die für Harry unabwendbar geworden war. Er war wütend auf sich selbst, weil er sich von seinem Ehrgeiz und seinen hochfliegenden Plänen hatte blenden lassen. Wie hatte er so naiv sein und glauben können, dass er in einem Sommer einen bedeutenden Roman schreiben konnte?
    Sie hatten sich um vier Uhr morgens auf dem Parkplatz am Jachthafen getroffen. Aurora schlief. Es war noch dunkel. Sie waren zügig bis Boston gefahren, hatten dort gefrühstückt und anschließend die Strecke bis Falmouth fast in einem Stück zurückgelegt. Dort hatten sie die Fähre genommen und waren kurz vor Mittag auf der Insel Martha’s Vineyard gelandet. Seither lebten sie in dem herrlichen Hotel am Meer wie in einem Traum. Sie gingen baden, machten Spaziergänge und aßen in trauter Zweisamkeit im großen Speisesaal zu Abend, ohne dass jemand sie anstarrte oder ihnen Fragen stellte. Auf Martha’s Vineyard konnten sie leben.

    Seit vier Tagen waren sie jetzt hier. Sie lagen in ihrer kleinen Bucht, abgeschirmt vom Rest der Welt, im warmen Sand und dachten an nichts weiter als an sich und das Glück, zusammen zu sein. Nola spielte mit dem Fotoapparat.
    Sie hatte Harry erzählt, dass ihre Eltern glaubten, sie wäre bei einer Freundin, aber sie hatte ihn angelogen. Sie war von zu Hause abgehauen. Eine ganze Woche Abwesenheit zu erklären wäre zu kompliziert gewesen. Also war sie einfach gegangen, ohne etwas zu sagen. Sie war im Morgengrauen aus ihrem Fenster gestiegen, und während sie sich mit Harry am Strand in der Sonne aalte, kam der Reverend vor Sorge schier um. Er hatte ihr Zimmer am Montagmorgen leer vorgefunden, die Polizei aber nicht verständigt. Zuerst der Selbstmordversuch und nun diese Flucht: Wenn er die Polizei alarmierte, würden alle davon erfahren. Er hatte sich sieben Tage gegeben, um Nola zu finden. Eine Woche, wie der Herr sie erschaffen hatte. Tagelang fuhr er auf der Suche nach seiner Tochter mit dem Auto durch die Gegend. Er fürchtete das Schlimmste. Nach sieben Tagen würde er sich an die Behörden wenden.
    Harry ahnte von all dem nichts. Die Liebe hatte ihn blind gemacht. Und so hatte er auch am Morgen ihrer Abfahrt nach Martha’s Vineyard nicht die im Dunkeln verborgene Gestalt bemerkt, die ihre Abfahrt vom Jachthafen beobachtete.
    Am Sonntagnachmittag, den 3. August 1975, fuhren sie zurück nach Aurora. An der Grenze zwischen Massachusetts und New Hampshire fing Nola an zu weinen. Sie sagte zu Harry, dass sie ohne ihn nicht leben könne, dass er nicht fortgehen dürfe, dass es eine Liebe wie ihre nur einmal im Leben gebe, und so weiter. Und sie flehte ihn an: »Verlassen Sie mich nicht, Harry. Lassen Sie mich nicht zurück.« Sie erinnerte ihn daran, wie gut er in den vergangenen Tagen mit seinem Buch vorangekommen war, und warnte ihn davor, dass er seine Inspiration verlieren könnte. Sie bedrängte ihn: »Ich werde für Sie sorgen, dann können Sie sich ganz aufs Schreiben konzentrieren. Sie schreiben gerade an einem wunderbaren Roman, Sie dürfen nicht alles verderben.«
    Sie hatte recht: Sie war seine Muse, seine Inspiration, ihr verdankte er es, dass er plötzlich so gut und schnell vorankam. Doch es war zu spät. Er konnte die Miete für das Haus nicht mehr bezahlen. Er musste gehen.
    Er setzte Nola ein paar Blocks von ihrem Elternhaus entfernt ab, und sie küssten sich ein letztes Mal. Ihre Wangen waren tränenüberströmt, sie klammerte sich an ihn und wollte ihn nicht gehen lassen. »Versprechen Sie mir, dass Sie morgen früh noch hier sein werden!«
    »Nola, ich …«
    »Ich bringe frische warme Brötchen und mache Kaffee. Ich tue alles für Sie. Ich werde Ihre Frau, und Sie werden ein berühmter Schriftsteller. Sagen Sie mir, dass Sie noch da sein werden …«
    »Ich werde da sein.«
    Ihre Miene hellte sich auf.

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