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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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verheimlichen?«
    Harry spürte, wie seine Knie nachgaben: Stern wusste über Nola Bescheid. »Wovon reden Sie?«, stammelte er, um Zeit zu gewinnen.
    »Na, vom Haus in Goose Cove natürlich! Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie das Haus aus finanziellen Gründen aufgeben müssen? Die Agentur in Boston hat mich davon unterrichtet. Man hat mir gesagt, Sie hätten vereinbart, dass Sie die Schlüssel morgen abgeben. Jetzt verstehen Sie, warum die Sache so dringlich ist! Ich musste Sie unbedingt sprechen! Ich finde es so schade, dass Sie abreisen. Ich bin auf die Miete für das Haus nicht angewiesen und würde gerne Ihr schriftstellerisches Projekt unterstützen. Ich möchte, dass Sie in Goose Cove bleiben, bis Sie Ihren Roman fertig haben. Was halten Sie davon? Sie haben doch selbst gesagt, dass dieser Ort Sie inspiriert. Warum also abreisen? Mit der Agentur habe ich schon alles geregelt. Kunst und Kultur liegen mir sehr am Herzen – wenn Sie sich in diesem Haus wohlfühlen, bleiben Sie doch noch ein paar Monate! Es würde mich überaus stolz machen, zur Entstehung eines großen Romans beigetragen zu haben. Schlagen Sie das Angebot nicht aus, ich kenne nicht viele Schriftsteller … Es ist mir wirklich ein Anliegen, Ihnen zu helfen.«
    Harry seufzte erleichtert und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Er nahm Elijah Sterns Angebot auf der Stelle an. Es war eine unverhoffte Gelegenheit: Er konnte das Haus in Goose Cove noch ein paar Wochen nutzen und dank Nolas Inspiration seinen Roman vollenden. Wenn er bescheiden lebte und nicht für die Miete aufkommen musste, würde er sich über Wasser halten können. Aus Höflichkeit seinem Gönner gegenüber leistete er Stern noch einen Augenblick Gesellschaft auf der Terrasse und unterhielt sich mit ihm über Literatur, aber innerlich brannte er darauf, nach Aurora zurückzufahren und Nola zu berichten, dass es eine Lösung gab. Plötzlich fiel ihm ein, dass sie in der Zwischenzeit womöglich spontan in Goose Cove vorbeigekommen war. Ob sie vor verschlossener Tür gestanden hatte? Ob sie gemerkt hatte, dass er geflohen war, dass er bereit gewesen war, sie zu verlassen? Sein Magen verkrampfte sich, und sobald es ihm zulässig erschien, verabschiedete er sich und raste nach Goose Cove zurück. Rasch schloss er das Haus auf, öffnete die Fensterläden, stellte Wasser, Gas und Strom wieder an und legte all seine Sachen an ihren Platz zurück, um sämtliche Spuren seines Fluchtversuchs zu verwischen. Nola sollte nie davon erfahren. Nola, seine Muse, ohne die er hilflos war.

    »So kam es«, sagte Harry zu mir, »dass ich in Goose Cove bleiben und mein Buch weiterschreiben konnte. In den Wochen danach tat ich übrigens nichts anderes als das: schreiben. Schreiben wie ein Besessener, schreiben wie im Wahn, schreiben, bis ich den Morgen nicht mehr vom Abend unterscheiden konnte und weder Hunger noch Durst verspürte. Schreiben ohne Unterlass, schreiben, bis die Augen, die Handgelenke, der Kopf, ja der ganze Körper schmerzten. Schreiben, bis mir schwindelig wurde. Drei Wochen lang schrieb ich Tag und Nacht, und Nola kümmerte sich um mich. Sie kam mich wecken, machte mir Essen, brachte mich zu Bett. Sie ging mit mir spazieren, wenn sie sah, dass ich nicht mehr konnte. Diskret, unsichtbar, allgegenwärtig. Das alles war nur ihretwegen möglich. Außerdem tippte sie das Geschriebene auf einer kleinen Reiseschreibmaschine ab, einer Remington. Häufig nahm sie auch, ohne mich zu fragen, einen Teil des Manuskripts mit nach Hause, um es zu lesen. Am nächsten Tag teilte sie mir dann ihre Eindrücke mit. Sie war oft richtig euphorisch, sie sagte, der Text sei wundervoll, es sei das Schönste, was sie je gelesen habe, und sie flößte mir mit ihren großen verliebten Augen ungemeines Selbstvertrauen ein.«
    »Was haben Sie ihr in Bezug auf das Haus gesagt?«, fragte ich.
    »Dass ich sie über alles liebte, dass ich in ihrer Nähe sein wollte und mit meinem Bankberater ein Arrangement getroffen hätte, um das Mietverhältnis fortsetzen zu können. Ich habe es ihr zu verdanken, dass ich dieses Buch schreiben konnte, Marcus. Ich ging nicht mehr ins Clark’s, und auch in der Stadt ließ ich mich kaum noch blicken. Sie passte auf mich auf und kümmerte sich um alles. Sie fand sogar, dass ich nicht allein einkaufen gehen könnte, weil ich nicht wüsste, was ich bräuchte, und deshalb kauften wir zusammen in weit entfernten Supermärkten ein, wo wir ungestört waren. Wenn sie merkte, dass ich

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