Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
verlange Schadenersatz in Millionenhöhe. Ich habe alles gefilmt.«
»Das ist auf Roths Mist gewachsen, was?«, fragte Gahalowood seufzend.
»Stimmt.«
»Pfff, dieser Teufel! Der würde seine eigene Mutter auf den elektrischen Stuhl schicken, wenn er dadurch einen Klienten entlasten könnte.«
»Trotzdem, juristisches Vakuum, Sergeant. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.«
»Doch. Aber das Haus interessiert uns sowieso nicht mehr. Trotzdem verbiete ich Ihnen, noch mal die Polizeiabsperrung zu übertreten. Können Sie nicht lesen? Da steht TATORT – NICHT BETRETEN.«
Mittlerweile hatte ich wieder Oberwasser. Ich klopfte mein Hemd ab und machte ein paar Schritte auf das Loch zu.
»Stellen Sie sich vor, Sergeant, ich ermittle ebenfalls«, erklärte ich gravitätisch. »Sagen Sie mir lieber, was Sie über den Fall wissen.«
Wieder prustete er los. »Ich glaube, ich träume: Sie ermitteln? Hört, hört! Sie schulden mir übrigens fünfzehn Dollar.«
»Fünfzehn Dollar? Wieso?«
»So viel hat mich Ihr Buch gekostet. Ich habe es letztes Jahr gelesen. Ein ganz schlechtes Buch, wohl das schlechteste, das ich in meinem ganzen Leben gelesen habe. Ich hätte gern eine Erstattung.«
Ich sah ihm fest in die Augen und sagte: »Sie können mich mal, Sergeant.«
Und da ich weiterging, ohne zu schauen, wo ich hintrat, fiel ich ins Loch. Wieder stieß ich einen Schrei aus, weil ich mich jetzt genau dort befand, wo die tote Nola gelegen hatte.
»Ich fasse es nicht!«, rief Gahalowood vom Erdhaufen herunter.
Er streckte mir die Hand hin und half mir beim Herausklettern. Wir setzten uns auf die Terrasse, und ich gab ihm sein Geld. Ich hatte aber nur einen Fünfziger.
»Können Sie rausgeben?«, fragte ich.
»Nein.«
»Dann behalten Sie den Rest.«
»Danke, Schriftsteller.«
»Ich bin kein Schriftsteller mehr.«
Obwohl Sergeant Gahalowood offensichtlich ein unwirscher Zeitgenosse und obendrein ein Sturkopf war, erzählte er mir auf meine dringliche Bitte hin, dass er am Tag des Funds Bereitschaft gehabt hatte und als einer der Ersten an der Grube gewesen war. »Es lagen menschliche Überreste und eine Ledertasche darin. In die Innenseite der Tasche war der Name Nola Kellergan eingeprägt. Ich habe sie geöffnet und darin ein relativ gut erhaltenes Manuskript gefunden. Ich vermute, durch das Leder wurde das Papier konserviert.«
»Woher wussten Sie, dass das Manuskript von Harry Quebert war?«
»Das wusste ich nicht gleich. Ich habe es ihm im Verhörraum gezeigt, und er hat es sofort wiedererkannt. Natürlich habe ich den Text anschließend überprüft. Er stimmte Wort für Wort mit seinem Buch Der Ursprung des Übels überein, das 1976 veröffentlicht worden ist, nicht mal ein Jahr nach dieser Tragödie. Seltsamer Zufall, was?«
»Nur weil er ein Buch für Nola geschrieben hat, ist das noch lange kein Beweis, dass er sie getötet hat. Er hat gesagt, dass das Manuskript verschwunden war und Nola seine Texte manchmal mitgenommen hat.«
»Die Leiche der Kleinen wurde in seinem Garten gefunden! Mit dem Manuskript seines Buchs! Bringen Sie mir den Beweis für seine Unschuld, Schriftsteller, dann ändere ich vielleicht meine Meinung.«
»Ich würde das Manuskript gern sehen.«
»Ausgeschlossen. Es ist ein Beweisstück.«
»Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich ebenfalls ermittle«, insistierte ich.
»Ihre Ermittlungen interessieren mich nicht, Schriftsteller. Sie erhalten Zugang zur Akte, nachdem Quebert der Grand Jury vorgeführt worden ist.«
Ich wollte ihm beweisen, dass ich kein Amateur war und auch etwas von der Sache verstand. »Ich habe mit Travis Dawn, dem jetzigen Polizeichef von Aurora, gesprochen. Offenbar gab es zum Zeitpunkt von Nolas Verschwinden eine heiße Spur, und zwar den Fahrer eines schwarzen Chevrolet Monte Carlo.«
»Das ist mir bekannt«, versetzte Gahalowood. »Und dreimal dürfen Sie raten, wer damals genau so einen Wagen besaß: Harry Quebert.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil ich den damaligen Polizeibericht gelesen habe.«
Ich dachte kurz nach, dann sagte ich: »Eine Minute noch, Sergeant. Wenn Sie so schlau sind, erklären Sie mir doch, warum Harry an der Stelle, wo er Nola angeblich verscharrt hatte, Blumen hätte pflanzen lassen sollen.«
»Weil er davon ausging, dass die Gärtner nicht so tief graben würden.«
»Das ist doch absurd, und das wissen Sie auch. Harry hat Nola Kellergan nicht getötet.«
»Wieso sind Sie sich da so sicher?«
»Er hat sie
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