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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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der Ausgang der Verfolgungsjagd. Er ließ vermuten, dass der Mörder von hier sein musste. Er musste die Gegend wie seine Westentasche kennen, um einfach so abzutauchen, während die gesamte Polizei des Bezirks im Einsatz war. Und dann war da dieser schwarze Monte Carlo. Sie können sich denken, dass wir eine Liste aller im Umland wohnenden Besitzer dieses Modells haben erstellen lassen. Der Einzige von ihnen, der kein Alibi hatte, war Quebert.«
    »Und trotzdem haben Sie diese Spur am Ende nicht weiterverfolgt …«
    »Nein, weil wir abgesehen von der Sache mit dem Auto nicht wirklich etwas gegen ihn in der Hand hatten. Wir haben ihn im Übrigen sehr schnell von der Liste der Verdächtigen gestrichen. Der Fund der Leiche dieses armen Mädchens in seinem Garten beweist allerdings, dass wir falschgelegen haben. Es ist verrückt, ich konnte den Burschen immer wahnsinnig gut leiden, aber vielleicht hat genau das mein Urteilsvermögen getrübt. Er war immer so charmant, so freundschaftlich, so einnehmend … Sie selber kennen ihn doch gut, Mr Goldman, wenn ich es richtig verstanden habe … Jetzt, wo Sie von dem Mädchen in seinem Garten wissen, gibt es da nicht irgendetwas, was er irgendwann gesagt oder getan hat, was Sie im Nachhinein hellhörig macht?«
    »Nein, Chief. Mir fällt nichts Derartiges ein.«
    Zurück in Goose Cove, fiel mein Blick auf die Hortensienbüsche, die hinter der Polizeiabsperrung am Rand der Grube mit bloß liegenden Wurzeln verkümmerten. Ich ging in das kleine Nebengebäude, das als Garage diente, und sah mich nach einem Spaten um. Dann drang ich erneut in die verbotene Zone ein, schaufelte über dem Meer an einer Stelle mit lockerem Erdreich ein Loch und pflanzte die Blumen ein.

    30. August 2002
    »Harry?«
    Es war sechs Uhr früh. Er stand mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf der Terrasse von Goose Cove. Als ich seinen Namen sagte, drehte er sich um. »Marcus? Sie sind ja ganz verschwitzt … Sagen Sie bloß, Sie waren schon laufen!«
    »Ja. Die üblichen acht Meilen.«
    »Wann sind Sie aufgestanden?«
    »Früh. Erinnern Sie sich noch, als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal hier war und Sie mich gezwungen haben, im Morgengrauen aufzustehen? Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht. Ich stehe früh auf, dann gehört mir die Welt. Und Sie? Was machen Sie hier draußen?«
    »Ich schaue, Marcus.«
    »Und was sehen Sie?«
    »Sehen Sie das kleine Rasenstück zwischen den Kiefern, oberhalb vom Strand? Ich will schon seit Langem etwas daraus machen. Es ist der einzige ebene Flecken auf diesem Grundstück, man könnte dort ein Gärtchen anlegen. Mir schwebt ein hübscher kleiner Ort vor mit zwei Bänken, einem Eisentisch und rundherum Hortensien. Einem Meer von Hortensien.«
    »Warum gerade Hortensien?«
    »Weil ich mal jemanden kannte, der sie liebte. Ich möchte Hortensienbeete haben, um mich immer an sie zu erinnern.«
    »Haben Sie sie geliebt?«
    »Ja.«
    »Sie sehen traurig aus, Harry.«
    »Achten Sie nicht darauf.«
    »Harry, warum reden Sie mit mir nie über Ihr Liebesleben?«
    »Weil es dazu nichts zu sagen gibt. Schauen Sie lieber, schauen Sie gut hin. Oder, besser gesagt, schließen Sie die Augen! Ja, schließen Sie sie ganz fest, sodass kein Licht durch Ihre Lider dringt. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass da ein gepflasterter Weg ist, der von der Terrasse bis zu den Hortensien führt. Und von zwei kleinen Bänken aus hat man gleichzeitig den Ozean und die wunderschönen Blumen im Blick. Was kann es Schöneres geben, als den Ozean und die Hortensien zu sehen? Und da steht auch ein kleiner Springbrunnen mit einer Statue in der Mitte. In den setze ich vielleicht bunte japanische Karpfen.«
    »Fische? Die würden nicht eine Stunde überleben, weil die Möwen sie fressen würden.«
    Er lächelte. »Die Möwen können hier tun, was sie wollen, Marcus. Aber Sie haben recht, ich werde keine Karpfen ins Bassin setzen. Und jetzt gehen Sie, und duschen Sie schön heiß, ja? Nicht, dass Sie sich den Tod oder irgendeine fiese Krankheit holen und Ihre Eltern denken, dass ich mich nicht gut um Sie kümmere. Ich mache inzwischen Frühstück. Marcus …«
    »Ja, Harry?«
    »Wenn ich einen Sohn hätte …«
    »Ich weiß, Harry. Ich weiß.«

    Am Donnerstag, den 19. Juni 2008, fuhr ich morgens zum Sea Side Motel. Es war ganz einfach zu finden: Von der Side Creek Lane aus folgte man vier Meilen der Route 1 in nördlicher Richtung, dann konnte man es gar nicht verpassen, das riesige Holzschild mit der

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