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Die Wahrheit über Marie - Roman

Die Wahrheit über Marie - Roman

Titel: Die Wahrheit über Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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entfernte. Wir hatten nicht die geringste Ahnung, das Feuer war noch eine abstrakte und ferne Vorstellung, sodass uns plötzlich wirklicher, unvorstellbarer und unbeschreiblicher Schrecken erfasste, als mit einer heftigen, von Nachhall begleiteten Explosion das Feuer oben auf dem Bergkamm erschien, der Druck der Explosion setzte eine enorme Energie frei, das war keineswegs das Flämmchen, das ich erwartet hatte, ein einzelner brennender Busch irgendwo hinten in unserem Garten, vielmehr eine regelrechte Feuersbrunst, die da oben vom Bergrücken auf uns zurollte, lebhaft, kraftvoll, gezackt, in der Nacht grell aufleuchtend in einem lauten, aufbrandenden Flackern roter, gelber, orangener und kupferner Farben, aus dem schwarz wallende Wolken quollen und in den Himmel hochwirbelten. Selbst wenn uns noch gut dreihundert Meter von der Feuersglut trennten, spürten wir augenblicklich die Hitze des Feuers, sein Licht und seine Kraft, seinen Geruch, sein Grollen und seine Geschwindigkeit, die Flammen hatten schon begonnen, sich mit knisterndem Lärm den Hang hinunter einen Weg zu fressen, direkt auf uns zu, die wir mit dem Atem zu kämpfen hatten. Auf der Stelle ließen Marie und ich den Gartenschlauch los, ließen ihn einfach auf die Erde fallen, eingerollt, zusammengesackt, das Wasser rann weiter auf den Terrassenboden, und rannten zum alten Lieferwagen, der in der Auffahrt geparkt war, Marie nur mit T-Shirt und ihren lädierten Sandalen, die sie irgendwie noch überstreifen konnte, die sie aber beim Rennen eher behinderten, als dass sie ihr hilfreich waren, und ich in meinen alten Leinenschuhen, mit nacktem Oberkörper und Leinenhose. Marie hatte sich ans Steuer gesetzt und raste geradewegs in eine Wolke aus Asche und Staub. Vor uns im Scheinwerferlicht erschienen die geisterhaften Umrisse der Straße, massive Sträucher bogen und wanden sich wellenförmig in der Dunkelheit, als wir an ihnen vorbeifuhren.
    In Höhe der kleinen weißen Brücke bremste Marie plötzlich ab und hielt an, sie drehte sich auf ihrem Sitz um, legte den Rückwärtsgang ein und bog entschlossen auf den Feldweg ab, der zum Reitclub führte. Wir waren noch keine zehn Meter durchs Unterholz gefahren, als wir von einem dichten Vorhang aus Rauch gestoppt wurden, der den Weg versperrte, aber Marie wurde nicht langsamer, sie fuhr weiter, mitten hinein in den Vorhang aus Rauch, der zuerst weiß, leicht und flüchtig war, dann immer schwärzer und dichter wurde, ein undurchdringlicher, bald nicht mehr einzuatmender Rauch, Feuergestank drang bis ins Innere des Autos. Im grellen Scheinwerferlicht war nun nichts mehr außer Rauch zu erkennen. Am Wegrand stand ein gelber Einsatzwagen des Brandschutzes. Marie antwortete nicht mehr auf meine Fragen, mit beiden Händen an das Lenkrad geklammert, fuhr sie noch einige Dutzend Meter weiter, und als es unmöglich wurde, weiterzufahren, hielt sie an, riss die Tür auf und setzte den Weg zu Fuß im Rauch fort. Ich versuchte, sie zurückzuhalten, ich lief hinter ihr her, sie folgte dem Weg in langen Schritten, rannte fast durch den dicken Rauch, der den Weg fest eingehüllt hatte. Es gab keinen Horizont mehr, keine Vegetation, auch der Weg war verschwunden, wir waren von allen Seiten von Rauch eingeschlossen. Als Marie den Reitclub erreichte, packte mich die Angst, ich schrie hinter ihr her, bat sie, zurückzukommen, aber sie antwortete nicht, lief einfach weiter, nach vorne gebeugt, das T-Shirt nach oben gestreift und vor ihr Gesicht haltend, mit nacktem Körper, denn sie trug nichts darunter. Mehrere kleinere Hütten des Pferdehofs standen in Brand, ein Schuppen brannte lichterloh. Man hörte Schreie, hektisches, wirres Treiben drang aus den abgeschlossenen und unzugänglichen Pferdeställen, in denen tierische Schatten sich aufgeregt bewegten, raues und verzweifeltes Wiehern, in einem Ton, der fast menschlich klang, aber für Menschenohren nicht zu ertragen war. Wir kämpften uns weiter durch Rauchschwaden und erkannten plötzlich vor uns, nur einen Meter vor einem der brennenden Pferdeställe, Peppino, mit einem Taschentuch vor dem Mund versuchte er ein in seiner Box festgebundenes Pferd zu befreien, das wild um sich ausschlug und niemanden an sich heranließ. Als das Dach des Stalls sich schrittweise zu neigen begann und mitsamt Balken und Wellblech einzustürzen drohte, warf sich Peppino ins Innere des Stalls, verschwand einen Augenblick in dem dichten schwarzen Rauchteppich und kam dann mit dem Pferd heraus, Mann

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