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Die Wahrheit über Marie - Roman

Die Wahrheit über Marie - Roman

Titel: Die Wahrheit über Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Halbdämmer des Zimmers und lud auf ihren Laptop eine sanfte, langsame Tanzmusik herunter. Sie suchte sich einen alten Slow aus, der ihr für den Moment passend erschien, so einen kitschigen Schmachtfetzen (ich fürchte, wir hatten denselben Geschmack), und begann, im Schlafzimmer für sich allein zu tanzen, sie knöpfte sich die Bluse auf, kam zum Bett zurück, wobei sie mit den Armen schlangenartig arabisch anmutende Arabesken improvisierte. Sie setzte sich wieder neben Jean-Christophe de G., der mit seiner Hand zärtlich unter ihre Bluse fuhr, doch Marie bäumte sich plötzlich auf und stieß ihn mit einer ebenso verzweifelten wie uneindeutigen Gebärde von sich, was ein einfaches »Hände weg« bedeuten konnte, eine unmittelbare Reaktion, als sie seine lauwarme Hand auf ihrer nackten Haut spürte. Ihr war zu heiß, Marie war es zu heiß, sie starb vor Hitze, sie fühlte sich klebrig, sie schwitzte, ihre Haut war nass, die im Raum stehende stickige Luft zu atmen fiel ihr schwer. Sie sprang auf, stürmte aus dem Zimmer und kam aus dem Salon mit einem Ventilator zurück, den sie am Fußende des Bettes anschloss und sofort auf höchste Stufe stellte. Der Ventilator setzte sich langsam in Bewegung, die Rotoren gerieten schnell in ihren festen Rhythmus, lärmend und pulsierend bliesen sie Luftwirbel in den Raum, die in ihre Gesichter peitschten und ihre Haare vor den Augen tanzen ließen, er musste mit einer Haarsträhne kämpfen, die vor seiner Stirn flatterte, und sie hielt mit gesenktem Kopf ihre offenen Haare in den Luftstrom, was sie wie eine Irre oder eine Meduse aussehen ließ. Marie mit ihrem so strapaziösen Hang zu geöffneten Fenstern, geöffneten Schubladen, offenen Koffern, ihrem Hang zu Unordnung und Schlamperei, zu heillosem Durcheinander, Chaos, Wirbelwinden und stürmisch bewegter Luft.
    Sie hatten sich schließlich ausgezogen und im Halbdunkel umarmt. Marie, am Fußende des Bettes, rührte sich nicht mehr, sie war in den Armen von Jean-Christophe de G. eingeschlafen. Der Ventilator drehte sich wie in Zeitlupe und wälzte schwülwarme Luft durchs Zimmer, die sich mit der gewittrigen Luft der Nacht von draußen vermischte. Im Zimmer war es still, nur das bläuliche Licht der Kontrolllampe des Laptops brannte, der Bildschirm hatte sich ausgeschaltet. Jean-Christophe de G. befreite sich behutsam aus Maries Umarmung und stand, nackt, ruckartig auf; schwer stützte er sich mit den Händen ab und ging, ohne ein Geräusch zu verursachen, über das alte Parkett zum Fenster und schaute auf die Straße. Paris erstickte an der Hitze, es mussten noch mindestens 30 Grad sein, obwohl es schon fast ein Uhr morgens war. Aus einer den Blicken verborgenen Bar, die noch geöffnet war, drangen Stimmfetzen aus der Tiefe der Nacht. Autos fuhren im Lichthof ihrer Scheinwerfer vorüber, ein einsamer Fußgänger überquerte die Straße in Richtung der Place des Victoires. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig erhob sich stumm die massive Fassade der Banque de France. Das schwere Eingangsportal aus Bronze war verschlossen, nichts ringsherum bewegte sich, und plötzlich fühlte sich Jean-Christophe de G. von einer dunklen Vorahnung gepackt, in ihm wuchs die Überzeugung, dass in der Ruhe dieser gewittrigen Nacht noch etwas Dramatisches geschehen, dass er von einem Augenblick zum nächsten Zeuge einer plötzlichen Woge der Gewalt, des Entsetzens und des Todes werden würde, dass hinter den Mauerwänden der Banque de France Alarmsirenen aufheulen würden und die Straße unten Schauplatz von Verfolgungsjagden, von Schreien und Schlägen, von zuschlagenden Autotüren und von Schüssen sein würde, die Fahrbahn plötzlich voller Polizeifahrzeuge, deren Blaulichter die Hausfassaden mit ihren rotierenden Lichtern anstrahlen.
    Jean-Christophe de G. stand nackt am Fenster des Appartements der Rue de La Vrillière und starrte mit einer unbestimmbaren Unruhe und einer wachsenden Beklemmung in der Brust in die Nacht hinaus, als er in der Ferne am Himmel ein Wetterleuchten wahrnahm. Ein scharfer Windstoß fuhr ihm über Gesicht und Oberkörper, und er bemerkte, dass sich der Himmel über dem Horizont tiefschwarz verfärbt hatte, nicht zu einem durchscheinend bläulichen Schwarz einer schönen Sommernacht, sondern zu einem dichten, bedrohlichen, opaken Schwarz. Gewaltige Gewitterwolken trieben auf das Viertel zu und türmten sich unerbittlich auf, verschluckten die letzten Reste des klaren Himmels, die noch über den Gebäuden der Banque

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