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Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Titel: Die Wahrheit und andere Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Arango
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ihren Tod ins Gefängnis gehst – für fünfzehn Jahre, wenn nicht länger. Nein, ganz bestimmt nicht.«
    Das war kein Geständnis. Das klang irgendwie schlimmer. Betty wollte noch nicht ausschließen, dass es sich um einen schlechten Scherz handelte, und bewahrte Contenance. »Ich – ins Gefängnis? Aha. Wieso?«
    Â»Nun stell dir doch einfach mal vor«, fuhr Henry in besorgtem Ton fort, »die Polizei findet meine Frau tot in deinem Auto. Du hast es doch als gestohlen gemeldet?«
    Sie nickte stumm.
    Â»Was denkt man da wohl? Es gibt keinen Abschiedsbrief, es gibt keinen Hinweis auf Selbstmord, man kann doch gar nichts anderes glauben, als dass du es getan hast.«
    Â»Ich?«, ihre Stimme hob sich eine Oktave. » Du warst doch mit ihr zuletzt an den Klippen.«
    Henry schüttelte betrübt den Kopf. »Nein, Schatz. Es war anders.«
    Sie beugte sich vor, Henry entdeckte eine interessante Ader auf ihrer Stirn, die er noch nie gesehen hatte.
    Â»Du warst nicht da?«
    Â»Nö. Ich war nicht da.«
    Â»Du warst … wo?«
    Â»Ich war im Kino. Koreanischer Film. Superspannend.«
    Das Steak kam. Betty wartete mühsam beherrscht. Ihre Nägel kratzten leise über den Damast der Tischdecke. Der Geruch der frittierten Kartoffeln auf seinem Teller verursachte ihr Übelkeit. Sie nestelte an der Tischdecke, ihre Stirnader pulsierte. Sie könnte platzen, und mein Problem wäre gegessen, dachte Henry im Stillen, während er sein Steak auf dem Teller drehte. Sie lehnte sich zurück, schaute aus dem Fenster auf die Stadt, ihre Fingernägel zogen feine Linien über die Tischdecke. Henry konnte förmlich sehen, wie sie den Abend Revue passieren ließ und im Geiste sein Haus betrat. Er ließ ihr Zeit, spießte Kartoffelstücke auf die Gabel, wischte damit über das Steak und schob sie sich in den Mund.
    Betty kam endlich zum Punkt.
    Â»Du bist nach oben gerannt in ihr Zimmer, um nach ihr zu schauen. Dachtest du, deine Frau wäre zu Hause? Oder war das alles Theater?«
    Â»Und wie ich das dachte, Liebes. Ich war völlig sicher, sie sei in ihrem Zimmer. Sie ist immer um diese Zeit im Bett.«
    Bettys Augen wurden schmal. »Wenn du das geglaubt hast, warum inszenierst du dann ihren Tod am Strand?«
    Â»Das habe ich nicht getan. Ihr Fahrrad stand wirklich dort. Martha hat es da stehen lassen. Weiß der Teufel, warum. Erinnerst du dich, wie ich dich an dem Abend nach Hause gebracht habe?«
    Natürlich erinnerte sie sich. »Danach bin ich sofort zu den Klippen. Dein Wagen stand nicht mehr da. Die Reifenspuren führten direkt ins Meer. Und da waren deine Zigarettenstummel. Sie hat deine Zigaretten geraucht und ist dann …«
    Betty bedeckte ihren Mund mit den Händen. »O mein Gott, wie schrecklich ist das!«
    Sie hatte begriffen. Henry legte Messer und Gabel auf den Tellerrand. »Mach dir keine Sorgen. Es hat die ganze Nacht geregnet. Da ist nichts mehr zu sehen.«
    Â»Keine Sorgen?? Warum hast du nicht gleich die Polizei gerufen?«
    Â»Das wollte ich zuerst. Dann hab ich nachgedacht. Ich weiß nicht, ob es richtig war, aber ich hab entschieden, dass du … dass ihr alles seid, was ich habe. Du und das Kind.«
    Er streckte die geöffnete Hand über den Tisch. Betty griff nun seine Hand. Ihre Finger waren feucht.
    Â»Du hast es für mich getan?«
    Â»Und das Kind. Unser Kind.«
    Kind. Er sah ihre Tränen. Warum müssen Frauen bei diesem Wort schon weinen?, fragte sich Henry. Wie kann es sein, dass ein Wort reicht?
    Â»Wir müssen zur Polizei gehen, Henry. Sofort!«
    Â»Nicht nötig. Die waren schon bei mir. Nachdem du mit Moreany weggefahren bist. Wie geht es ihm denn?«
    Betty wollte jetzt nicht über Moreany und seinen albernen Heiratsantrag reden. Sie hielt Henrys Hand umklammert wie ein Gebetbuch.
    Â»Henry, wir gehen jetzt zur Polizei und sagen denen, was passiert ist.«
    Henry vollführte mit der freien Hand ein kurzes Mikado mit den Pommes frites. »Was ist denn passiert, Liebling?«, fragte er leise, aber eindringlich. »Was ist denn wirklich passiert?«
    Wie zu erwarten, ließ sie seine Hand wieder los.
    Â»Was meinst du mit wirklich?«
    Â»Trinkst du das?«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, trank er ihr Glas Wasser aus. Er senkte nun seine Stimme. »Ist Martha allein zu den Klippen, oder hast du sie dorthin gebracht?«
    Die Empörung hob

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